Bildungsbericht Ruhr 2024

Weiterbildung

Prof. Dr. Andreas Martin

Weiterbildung an Volkshochschulen

Betrachten wir die Entwicklungen der zentralen Leistungsindikatoren der Volkshochschulen wird deutlich, dass die Entwicklung der letzten Jahre vor allem durch ein Ereignis geprägt ist.

Schließen wir die Betrachtung (Abbildung 6.1) an dem Punkt an, an dem der letzte Bildungsbericht endete (2018) wird deutlich, dass es im Jahr 2020 einen starken Einbruch bei den durchgeführten Kursen und den Belegungen gab. Durch die Kontaktbeschränkungen ist die Zahl der Kursangebote in einem sehr kurzen Zeitraum auf 52 % des Referenzangebotes in 2018 gesunken. Zum Teil mussten Kurse im laufenden Semester abgebrochen werden, andere Kursangebote konnten aufgrund fehlender Teilnehmender nicht durchgeführt werden. Insgesamt ist die Zahl der durchgeführten Kursangebote in der Metropole Ruhr zwischen 2019 und 2021 von 19.311 auf 9.774 gesunken. Erst in 2022 konnte sich das Kursangebot wieder erholen. Mit dem Angebot ist zugleich auch die Teilnahme zurückgegangen. Allerdings ist dieser Rückgang noch deutlicher. In 2021 gab es nurmehr 40 % der Belegungen, die wir in 2018 beobachten konnten. Die Teilnahmefälle sind in der Metropole Ruhr von 227.057 in 2018 auf 90.175 in 2021 zurückgegangen. Beachtenswert ist, dass es zwischen Teilnahmefällen und Kursangeboten auch in 2022 nach wie vor eine deutliche Lücke gibt. Die Kursangebote wurden wieder aufgenommen, die Teilnehmenden sind jedoch nicht im selben Maße zurückgekehrt.

Dieses Muster beobachten wir allerdings nicht nur in der Metropole Ruhr, sondern auch in anderen vergleichbaren Regionen (Abbildung 6.2).

Überall – mit Ausnahme des Saarlandes – zeigt sich eine bedenkliche Lücke zwischen den Kurszahlen und den Teilnahmefällen. Es steht zu befürchten, dass die Volkshochschulen viele der Teilnehmenden nicht zurückgewinnen können, da diese in der Zeit der Kontaktbeschränkungen opportune Routinen und Nutzungsmöglichkeiten für ihre verfügbaren Ressourcen gefunden haben und es zugleich nicht gelingt, neue Teilnahmepotenziale zu erschließen. Der exogene Schock der Corona-Pandemie macht damit wieder einmal deutlich, wie sehr das Teilnahmeverhalten in diesem Bildungsbereich von kurzfristigen Abwägungen und Entscheidungen abhängt.

Die Veränderungen der Weiterbildungsaktivitäten im Zuge der Corona-Pandemie hängen stark mit dem jeweiligen Angebotsprofil in den Volkshochschulen und Versorgungsgebieten zusammen. Nicht jeder Kurs muss in Präsenz durchgeführt werden. Vielmehr trifft dies insbesondere für Kurse zu, in denen der persönliche Kontakt zwischen lehrender und lernender Person entscheidend ist. Das gilt etwa für Kurse, in denen Bewegungen und Handlungen eingeübt und dabei immer wieder korrigiert werden müssen (gestalterische und handwerkliche Tätigkeiten, Körperübungen, das Bedienen von Geräten und Instrumenten).

Mit weitem Abstand den größten Anteil am Programmvolumen (hier in Unterrichtsstunden) haben schon seit vielen Jahren die Sprachkurse (Abbildung 6.3). Neben den typischerweise immer stark nachgefragten Englischkursen sind dies vor allem Kurse für Deutsch als Fremdsprache. Deren Anteil hat in den vergangenen Jahren (und auch schon vor 2015) kontinuierlich zugenommen, hat sich zuletzt jedoch auf hohem Niveau stabilisiert. In der Metropole Ruhr lag der Anteil der Sprachen im Zeitraum 2018 bis 2022 immer zwischen 54 % und 59 % am Gesamtvolumen. Eine Zunahme hingegen ließ sich insbesondere während der Corona-Pandemie im Bereich der nachgeholten Schulabschlüsse beobachten. Hier konnten – insbesondere 2020 und 2021 – auch in absoluten Zahlen zusätzliche Teilnahmen realisiert werden. 2020 haben 7.096 Personen mehr als 2018 an diesen Kursen teilgenommen, 2021 lag die Zahl mit 83.318 Belegungen noch immer um 5.168 über dem Wert von 2018. Dennoch ist der Anteil der anderen Angebote im Bereich der allgemeinen Bildung (Kultur, Politik, Grundbildung und Gesundheit) eher marginal. Allerdings gibt es zwischen den Kreisen und kreisfreien Städten der Metropole Ruhr erhebliche Unterschiede im Gesamtvolumen als auch hinsichtlich des Anteils der jeweiligen Programmbereiche.

Die Darstellung (Abbildung 6.4) verdeutlicht, dass die Kreise und kreisfreien Städte sowohl hinsichtlich des Gesamtvolumens (Unterrichtsstunden) als auch mit Blick auf die jeweiligen Programmbereiche deutliche Unterschiede aufweisen. So wird sichtbar, wo es während der Corona-Pandemie die größten Einbrüche gab. In allen Kreisen und kreisfreien Städten der Metropole Ruhr (mit Ausnahme des Ennepe-Ruhr-Kreises) sind die Sprachkurse die größten Bereiche des Angebotsspektrums. In diesem Bereich gab es auch während der Corona-Pandemie die größten absoluten Verluste. In Dortmund waren es allein bei Sprachkursen fast 40.000 Stunden weniger. Im Ennepe-Ruhr-Kreis werden arbeitsmarktbezogene Weiterbildungen der Kommune in die Leistungen der Volkshochschule integriert. Auch diese Angebote sind von 2019 bis 2020 um fast 40.000 Stunden eingebrochen und haben sich bis 2022 nicht erholt.

Der durch die Corona-Pandemie verursachte Einbruch der Weiterbildungsangebote ist kein auf die Metropole Ruhr begrenztes Ereignis. Auch mit Blick auf vergleichbare Regionen und unter Berücksichtigung der jeweiligen Bevölkerungsstände wird die Bedeutung des Ereignisses sichtbar.

In allen Vergleichsregionen ist der Einbruch durch die Corona- Pandemie beobachtbar (Abbildung 6.5). In keiner Region – mit Ausnahme des Saarlandes – ist es bis 2022 gelungen, die Zahl der durchgeführten Kurse wieder auf das Vorkrisenniveau zu bringen. Das Angebotsvolumen bewegt sich in der Metropole Ruhr zudem auf einem niedrigen durchschnittlichen Niveau. So ist das (durchgeführte) Angebot pro 1.000 Einwohner*innen in der Region München mit 271 Stunden 2022 mehr als doppelt so hoch wie in der Metropolregion (126 Stunden 2022). Auch in den Regionen Stuttgart (230 durchgeführte Stunden pro 1.000 Einwohner*innen), Rhein-Neckar (231) und Saarland (235) ist das Angebot 2022 erheblich umfangreicher.

Dabei haben sich die Angebotsprofile auch im Vergleich zum Beobachtungszeitraum vor 2018 kaum verändert. Das ist in erster Linie auf den nach wie vor hohen Anteil der Sprachbereiche an den jeweiligen Programmprofilen in allen Regionen zurückzuführen (Abbildung 6.6). Alle anderen Programmbereiche bleiben dahinter marginal. Der Anteil der Sprachbereiche ist in den Metropolregionen seit 2018 relativ stabil geblieben. In Berlin macht dieser Programmbereich kontinuierlich mehr als 70 % aus und liegt damit im Vergleich am höchsten. Nur im Saarland ist die Bedeutung der Sprachen im Programmprofil signifikant von 63 % 2020 auf 43 % 2022 gesunken. Das ist jedoch darauf zurückzuführen, dass die Zahl der durchgeführten Unterrichtsstunden in den anderen Programmbereichen deutlich stärker gestiegen ist. In absoluten Zahlen hat auch im Saarland der Sprachbereich von 59.223 Stunden 2020 auf 99.270 Unterrichtsstunden 2022 zugelegt. Auch in Westfalen kann ein kontinuierlicher Anstieg des Anteils des Sprachbereiches beobachtet werden (von 60 % 2018 auf 67 % 2022). In der Metropole Ruhr ist das Programmprofil der Volkshochschulen relativ stabil geblieben. Der Anteil der Sprachen macht hier 2022 etwa 57 % aus und liegt damit im gleichen Bereich wie 2018 (58 %) und 2019 (56 %). Die einzigen anderen Programmbereiche, die jenseits der Sprachen größere Volumenanteile ausmachen, sind Gesundheit und nachgeholte Schulabschlüsse. Gesundheitsthemen waren in den Regionen München und Stuttgart mit 21 % und 19 % 2022 größere Programmbereiche. In der Metropolregion Ruhr und im Saarland waren nachgeholte Schulabschlüsse wichtige Angebotsbereiche. In der Metropolregion machte dieser Bereich 2022 15 % des gesamten durchgeführten Angebotes aus. In den Jahren 2020 und 2021 waren es sogar 19 %. Ähnliches lässt sich im Saarland beobachten, wo der Anteil dieses Programmbereiches von 4 % 2018 auf 27 % 2022 gestiegen ist.

Ein durchaus differenzierteres Bild zeichnet sich jedoch ab, wenn die Belegungen (also die Teilnahmefälle) beobachtet werden. Bei den Belegungen handelt es sich zunächst nicht um Teilnehmende. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein und dieselbe Person an mehreren Kursen teilnehmen kann, andere Personen wiederum ihre Teilnahme an laufenden Kursen frühzeitig abbrechen („drop out“). Dennoch handelt es sich um den am besten geeigneten Indikator, um das zur Verfügung stehende Angebot und dessen Nutzung abzuschätzen.

Im Vergleich der Metropolregionen sind auch hier wieder München, Rhein-Neckar und Stuttgart auffällig (Abbildung 6.7). Das korreliert mit der hohen Anzahl an Kursangeboten in diesen Regionen. In München gab es 2018 noch 133 Belegungen pro 1.000 Einwohner*innen, 2022 waren es noch 97. In der Rhein-Neckar-Region waren es 2018 immerhin 115 Belegungen pro 1.000 Einwohner*innen, 2022 noch 80. In Stuttgart gab es 2018 etwa 114, 2022 waren es 81. Am geringsten sind die Belegungen in der Metropole Ruhr. Selbst vor der Pandemie gab es hier weniger Belegungen pro 1.000 Einwohner*innen als während der Kontaktbeschränkungen in München. 2018 waren es 49, 2022 nur 31.

Eher unerwartet stellen sich die Belegungszahlen dar, wenn sie nach Programmbereichen differenziert werden (Abbildung 6.8). Die großen relativen und auch absoluten Zahlen der Sprachen bei Kursen und Stundenvolumen legen nahe, dass auch die Belegungszahlen solche Verteilungen aufweisen. In der Tat sind die Sprachen auch mit Blick auf die Belegungen ein großer und in vielen Regionen der größte Programmbereich. Allerdings sind die Unterschiede zu anderen Themenfeldern deutlich geringer, und in einigen Regionen dominieren tatsächlich andere Programmbereiche. Bemerkenswert ist, dass in München die Angebote im Bereich der Gesundheit durchgängig mehr Belegungen pro 1.000 Einwohner*innen mobilisieren als Sprachkurse. 2022 sind es 35 Belegungen pro 1.000 Einwohner*innen, wohingegen nur 30 auf Sprachen entfallen. Ähnliches kann auch in der Rhein-Neckar-Region, im Saarland und Westfalen beobachtet werden. In der Metropole Ruhr dominieren auch bei den Belegungen die Sprachkurse. Hier gab es 2018 noch 20 Belegungen pro 1.000 Einwohner*innen, 2022 sind es 13. Auch hier sind die Gesundheitskurse der zweitwichtigste Bereich (8 Belegungen pro 1.000 Einwohner*innen 2022), das bewegt sich jedoch auf einem insgesamt niedrigen Niveau.

Wie in der Einleitung zum Angebot der allgemeinen Weiterbildung bereits ausgeführt, sind Volkshochschulen öffentliche, kommunale Einrichtungen (der Gemeinde oder des Kreises bzw. der kreisfreien Stadt), die zu weiten Teilen auch öffentlich finanziert werden. Die Finanzierungsanteile geben wichtige Hinweise auf die strukturellen Entwicklungen in den Volkshochschulen während der Corona-Pandemie. In allen Regionen lässt sich gut nachvollziehen, wie der Rückgang der Teilnehmendenzahlen zu einer deutlichen Erhöhung des öffentlichen Finanzierungsanteils geführt hat. Beide Finanzierungsbereiche (Teilnahmegebühren und Zuschüsse) entwickeln sich beinahe spiegelbildlich (Abbildung 6.9). In einigen Regionen löst im Zuge der Pandemie die öffentliche Finanzierung die Teilnahmegebühr als wichtigste Einnahmequelle ab. Das trifft etwa auf Stuttgart, den Rhein-Neckar-Raum, München und Hamburg zu. In der Metropole Ruhr hingegen waren Teilnahmegebühren zu keinem Zeitpunkt des Beobachtungszeitraums die wichtigste Finanzierungsquelle. Vielmehr war der Anteil der Teilnahmegebühren an der Gesamtfinanzierung in keiner anderen Vergleichsregion so niedrig. Das trifft auf alle Beobachtungszeitpunkte zu. Der Anteil lag 2018 bei 20 %, 2019 bei 17 %, 2020 bei 9 %, 2021 bei 7 % und 2022 bei 12 %. Zugleich ist in keiner der Vergleichsregionen der Anteil der öffentlichen Finanzierung so hoch wie in der Metropole Ruhr. Nur in der Region Rheinland bewegt sich der Anteil öffentlicher Finanzierung auf einem ähnlichen Niveau.

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