Die Rolle des Berufskollegs im nordrhein-westfälischen Bildungssystem
Funktionen und Bedeutung des Berufskollegs in den Sektoren des Berufsbildungssystems
4.2.2. Erörterung vertiefender Fragestellungen zum Übergangsbereich
Mit welchen Voraussetzungen kommen Schülerinnen und Schüler in den Übergangssektor?
Während für den Zugang in die beiden einjährigen Bildungsgänge der BFS mindestens der Hauptschulabschluss erforderlich ist, setzt die AV keinen vorgängigen Bildungsabschluss voraus. Wie die folgende Übersicht jedoch zeigt, mündet ein beträchtlicher Teil der Jugendlichen in die AV mit bereits erworbenen Bildungsabschlüssen (Abb. 4.2-3).
Wie viele Schülerinnen und Schüler befinden sich in den Klassen des Übergangssektors? Wie haben sich die Belegungszahlen in Bildungsgängen des Übergangssektors in den letzten fünf Jahren verändert?
Die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler im Übergangsbereich hat sich von 2015 bis 2020 insgesamt nicht reduziert. Während die Zahlen in der AV von ca. 29.000 auf ca. 27.100 abnahmen, stiegen sie in der einjährigen BFS von ca. 21.600 auf ca. 26.000 (Abb. 4.2-4 und 4.2-5).
Wie setzt sich die Schülerschaft im Übergangssektor hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft zusammen? Wie viele Schülerinnen und Schüler im Übergangssektor haben einen Migrationshintergrund?
Durch die Integration von Asyl- und Schutzsuchenden in die Maßnahmen des Übergangssektors nach 2015 ist der Anteil der Lernenden mit niedrigen Bildungsabschlüssen ebenso gestiegen wie der ausländischer Jugendlicher sowie männlicher Lernender. Markant ist zudem, dass viele der 2015/16 zugewanderten Jugendlichen mit Schulabschlüssen in die Berufsbildung einmündeten, die zunächst nicht zuordbar waren und unter „Sonstige Vorbildung“ rubrizieren. Die Abb. 4.2-6 zeigt die bundesweite Entwicklung zwischen 2014 und 2017.
Der Anteil der ausländischen Lernenden an den Neuzugängen im Übergangssektor ist insbesondere in den schulischen Maßnahmen bundesweit und – etwas schwächer – in NRW deutlich gestiegen, wie die Abb. 4.2-7 zeigt.
Während die Zahl der BA-finanzierten Maßnahmen im Übergangsbereich zwischen 2015 und 2017 leicht rückläufig war, stiegen die durch NRW finanzierten Maßnahmen um 10,5 % an. Die Steigerung ist maßgeblich auf die hohe Zahl der 2015/16 zugewanderten Asyl- und Schutzsuchenden zurückzuführen. Der überdurchschnittlich hohe Anteil männlicher Zuwanderer zeigt sich auch in der Übersicht der Neuzugänge (Abb. 4.2-8b).
Wie viele Schülerinnen und Schüler erwerben einen schulischen Abschluss im Übergangssektor? Wie viele Schülerinnen und Schüler verlassen den Übergangssektor ohne Schulabschluss?
Aufgrund fehlender Längsschnittuntersuchungen liegen für NRW keine präzisen Zahlen über die Abschlussquoten der in die Maßnahmen des Übergangssektors einmündenden Lernenden vor. Verschiedene Daten können jedoch so miteinander verbunden werden, dass die Ausgangsfrage zumindest im Sinne hilfreicher Ungenauigkeiten für die drei Bildungsgänge im Übergangssektor beantwortet werden kann.
Ausbildungsvorbereitung
Aus den Bestandszahlen lassen sich für 2020 die folgenden Verläufe ableiten: Den 27.109 Neuzugängen in der AV im Jahr 2019 stehen 2020 insgesamt 12.843 Abgänge mit einem dokumentierten Abschluss gegenüber. Den Hauptschulabschluss Klasse 9 erreichen davon insgesamt 7.709 der Schülerinnen und Schüler. Die Abschlusszahlen im Ruhrgebiet liegen anteilig etwas höher als jene für NRW-weit.
Zusammengefasst: Die Zahl der Neuzugänge zeigt zwischen 2016 und 2020 insgesamt ein stabiles Bild. In der AV gab es bedingt durch die starke Zuwanderung 2015/16 zwischenzeitlich einen Anstieg, der sich zuletzt aber wieder auf das Vorniveau einpendelte. Demgegenüber zeigte sich in den beiden einjährigen BFS ein kontinuierlicher Anstieg. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Übergangssektor insgesamt nicht an Umfang verloren hat.
Nur ein Teil der Lernenden konnte in den Bildungsgängen den für sie möglichen (weiteren) Schulabschluss erreichen. Bei der Interpretation der Zahlen für die AV ist zu berücksichtigen, dass im Jahr 2020 NRW-weit ca. 73 % der Schülerinnen und Schüler „ohne Abschluss“ bzw. „Abschluss noch unbekannt“ in die AV einmündeten (Ruhrgebiet ca. 82 %), d. h. ein Teil zu Beginn der AV bereits einen Bildungsabschluss besaß (vgl. Abb. 4.2-3).
Daraus resultiert, dass 2020 NRW-weit 44,7 % und im Ruhrgebiet 51,9 % die Option des Erwerbs eines ihnen möglichen Schulabschlusses nicht nutzten.
Wie viele Schülerinnen und Schüler münden aus den Bildungsgängen des Übergangssektors in eine duale Berufsausbildung bzw. eine Berufsausbildung nach Landesrecht?
Die präzise Beantwortung dieser Frage erforderte ebenfalls Daten aus Längsschnittuntersuchungen, die derzeit nicht vorliegen. Für die Jahrgänge ab 2016 sind die Bestands- und die Bildungsabschlussdaten der drei dem Übergangssektor zugeordneten Bildungsgänge verfügbar. Zudem liegen für die einzelnen Bildungsgänge die Herkunftsdaten der Schülerschaft vor. Aus diesen Herkunftsdaten lässt sich beispielsweise mit Unschärfen schließen, ob die Schülerschaft in der Berufsschule (im Rahmen einer dualen Berufsausbildung) oder in der Berufsfachschule (im Rahmen einer schulischen Berufsausbildung) aus einem der drei Bildungsgänge des Übergangssektors kommt. Auf der Grundlage dieser Datenverknüpfungen können grob die folgenden Übergangsverläufe für die drei Bildungsgänge des Übergangssektors rekonstruiert werden (Abb. 4.2-12).
Die Daten zeigen für die AV, dass ca. 20 % der Schülerschaft ein Jahr später in eine duale Berufsausbildung sowie 20 % in eine schulische Ausbildung eintreten. Der Verbleib der restlichen 60 % ist aus den Daten nicht rekonstruierbar.
Die Anschlussquote nach der einjährigen BFS mit dem Hauptschulabschluss Klasse 10 liegt im Hinblick auf den Übergang in eine duale Berufsausbildung mit etwas mehr als 21 % leicht höher. Ein Großteil mündet nach dem Erwerb des Abschlusses in einen weiteren BFS-Bildungsgang, zum Teil vermutlich in die wiederum einjährige BFS zur Erlangung eines Mittleren Bildungsabschlusses. Nach diesem Bildungsgang gelingt etwas mehr als einem Viertel der Absolventinnen und Absolventen der Übergang in eine duale Berufsausbildung, ein weiteres Viertel tritt in eine schulische Berufsausbildung in der BFS ein.
Nimmt man ausgehend von den Zahlen in Abb. 4.2-11 per Modellrechnung an, dass die in eine AV eintretenden Schulabgängerinnen und -abgänger so lange die Stafette AV – BFS (HSA 10) – BFS (FOR) durchlaufen, bis sie einen dualen Ausbildungsplatz erhalten haben, dann ergäbe sich der folgende Verlauf (Abb. 4.2-13).
Ausgehend von den Werten in Abb. 4.2-12 würden 53,8 % der Ausgangskohorte AV unter den skizzierten Prämissen nach spätestens drei Jahren in eine duale Berufsausbildung einmünden.