Bildungsbericht Ruhr 2024

Allgemeinbildende Schulen

Prof. Dr. Gabriele Bellenberg
Prof. Dr. Christian Reintjes

Bildungsverläufe in der Sekundarstufe I führen häufig weg vom Gymnasium hin zu den anderen Schulformen

Für die stark geschrumpfte Hauptschule ist das Phänomen des erheblichen Schüler*innenzahlenanstiegs im Verlaufe der Sekundarstufe I unverändert gegenüber dem Bildungsbericht 2020 geblieben: Im Durchschnitt der Metropole Ruhr beträgt der Anstieg der Schüler*innenzahlen für diese Schulform zwischen den Jahrgangsstufen 5 und 9 84,4 % (Abbildung 3.4). Anders ausgedrückt: In der Jahrgangsstufe 9 lernen durchschnittlich 84,4 % mehr Schüler*innen als in der Jahrgangsstufe 5 begonnen haben, mit organisationalen (mehr und/oder vollere Klassen) wie pädagogischen Folgen (z. B. größerer Lehrkräftebedarf, Aufbau einer Klassengemeinschaft) (siehe Infobox Durchgangsquotenverfahren und DurchgangswahrscheinlichkeitInnerhalb der Sekundarstufe I spielt nach wie vor das Phänomen des Schulformwechsels eine Rolle, weit überwiegend in der Variante der sogenannten Abschulung, also des Wechsels in einen weniger anspruchsvollen Bildungsgang. Dabei kann mit dem Wechsel eine Klassenwiederholung einhergehen oder diesem vorausgehen. Unter Rückgriff auf die sogenannte Durchgangswahrscheinlichkeit wird zur Beleuchtung der Auswirkungen dieses Phänomens ermittelt, wie stark sich die Schüler*innenzahlen beim Wechsel von der 5. bis zur 9."Durchgangswahrscheinlichkeit"). Damit wird deutlich, dass der stark geschrumpften Hauptschule nach wie vor die Aufgabe zukommt, von anderen Schulformen, vor allem des gegliederten Systems, abgegangene Schüler*innen aufzufangen sowie neu zugewanderte Schüler*innen zu integrieren, und zwar in einem Umfang, der durchschnittlich fast einer Verdopplung der Schüler*innenzahlen des Jahrgangs 5 gleichkommt. Auch die Gesamtschulen (+16,3 %) und Realschulen (+5,1 %) erfahren einen deutlichen Zuwachs ihrer Schüler*innenzahlen während des Durchlaufs durch die Sekundarstufe I (Abbildung 3.4). Für die Schulen dieser Schulformen bedeutet dies erhebliche Herausforderungen für die pädagogische Arbeit, denn es werden dadurch entweder Klassen aufgefüllt, oder es ist die Einrichtung zusätzlicher Klassen notwendig, was die Teilung vorhandener Klassen nach sich ziehen kann. Die Gymnasien hingegen geben durchschnittlich 3,2 % ihrer Schüler*innenschaft im Verlauf der Sekundarstufe I ab, wobei hinsichtlich des Umfangs erhebliche Unterschiede zwischen den Gebietskörperschaften bestehen.

Durchgangswahrscheinlichkeit

Innerhalb der Sekundarstufe I spielt nach wie vor das Phänomen des Schulformwechsels eine Rolle, weit überwiegend in der Variante der sogenannten Abschulung, also des Wechsels in einen weniger anspruchsvollen Bildungsgang. Dabei kann mit dem Wechsel eine Klassenwiederholung einhergehen oder diesem vorausgehen. Unter Rückgriff auf die sogenannte Durchgangswahrscheinlichkeit wird zur Beleuchtung der Auswirkungen dieses Phänomens ermittelt, wie stark sich die Schüler*innenzahlen beim Wechsel von der 5. bis zur 9. Jahrgangsstufe in den einzelnen Schulformen verändern. Dabei muss beachtet werden, dass die Durchgangsquoten nicht nur Ergebnis von Schulformwechseln sind, sondern auch durch Schulumwandlungen (z. B. einer Sekundarschule in eine Gesamtschule) bzw. die Aufnahme neu zugewanderter Schüler*innen ebenso beeinflusst werden wie durch Klassenwiederholungen und den Wechsel von Schüler*innen in andere Bundesländer. Die hier berichteten Durchgangsquoten beziehen sich auf die Schülerkohorte, die 2022/23 in Jahrgangsstufe 9 lernte und dementsprechend – bei einem regulären Durchlauf – im Schuljahr 2018/19 der Jahrgangsstufe 5 angehörte.

Beim Übergang in die Sekundarstufe II zeigen sich schulformspezifische Bildungsprofile

Neben dem Übergang von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe IIDie Daten werden aus der Perspektive der abgebenden Schulform der Sek. I erfasst. Folgende Schülergruppen werden bei der Gruppe der abgegebenen Schüler*innen erfasst: 1. Schüler*innen der Abschlussklassen Sek. I (allerdings ohne Schüler*innen in Vorbereitungsklassen bzw. „besondere Lerngruppen“; dazu zählen an den Haupt-, Sekundar- und Realschulen sowie Gesamtschulen und Gymnasien mit G9 Schüler*innen in Klasse 10, an Gymnasien mit G8 Schüler*innen der Klasse 9) sowie 2. Schüler*innen, die im Jahrgang vor der Abschlussklasse Sek. I mit oder ohne Schulabschluss die Schule verlassen haben, sowie 3. Schüler*innen, die in Sek. II mit einem Schulabschluss der Sek. I die Schule verlassen haben. Als Schüler*innen in Aufnahmeklassen Sek. II werden diejenigen abgebildet, die in die Sek. II der allgemeinbildenden Schulen oder der Berufskollegs der Gebietskörperschaft übergegangen sind. Schüler*innen, die in Sek. II an eine Schule der betrachteten Gebietskörperschaft gehen, können nicht erfasst werden. Ebenso können Schüler*innen, die beispielsweise auf eine Fachschule im Gesundheitswesen übergehen, nicht erfasst werden.Übergang in die Sekundarstufe I können die Weichen der individuellen Bildungsbiografie auch beim Übergang in die Sekundarstufe II noch einmal neu gestellt werden. Traditionell ist NRW ein Land, das vielfältige Optionen des Übergangs bereithält, um auf diese Weise Bildungschancen zu eröffnen und Bildungsaufstieg zu ermöglichen. Das Übergangsgeschehen kann auf der Grundlage der SchuldatensätzeDie Schuldatensätze sind umfassende statistische Datensätze, die jährlich vom Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Landesamt NRW erhoben und veröffentlicht werden. Die Erhebung erfolgt an allen Schulen im Bundesland und umfasst Daten zu Schüler*innen- und Lehrkräftezahlen, Abschlüssen, Schulformen sowie zu Förderbedarfen und Klassengrößen. Diese Daten dienen der Bildungsforschung, Schulentwicklungsplanung und politischen Entscheidungsfindung.Schuldatensätze der Kommunen beschrieben werden, allerdings – solange keine Schüler*innenindividualdaten erhoben werden – unter Inkaufnahme von blinden Flecken dieser Statistik. So bietet dieser Datensatz keine Informationen zu Schüler* innen, die an eine Schulen des GesundheitswesensDie Ausbildungsgänge in Schulen des Gesundheitswesens dauern i. d. R. drei Jahre und umfassen einen theoretischen und praktischen Teil. In folgenden Bereichen bzw. Gesundheitsfachberufen wird ausgebildet: Altenpflege; Ergotherapie; Gesundheits- und Krankenpflege bzw. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege; Hebammenkunde; Logopädie; Notfallsanitäter*in; Physiotherapie; Podolog*in; Medizinisch-Technische Assistenzberufe verschiedener Fachrichtungen; Masseur*in; medizinischer Bademeister*in; pharmazeutisch-technische Assistenz; Diätassistent*in; Orthoptist*in; Hygienekontrolleur*in; Desinfektor*in; Familienpfleger*in.Schule des Gesundheitswesens (Pflege oder therapeutische Ausbildungen) wechseln, und jene, die an eine Sekundarstufen-II-Schule außerhalb der Region wechseln, werden ebenfalls nicht erfasst.

Unter Berücksichtigung dieser Restriktionen lässt sich der Übergang in die Sekundarstufe II wie folgt beschreiben (Abbildung 3.5; vgl. für die umgekehrte Perspektive Abbildung 4.18 im Kapitel Berufliche Bildung): Die beiden Schulformen mit direkter Abituroption, Gymnasium und Gesamtschule, unterscheiden sich traditionell. Fast alle Gymnasiast*innen setzen ihren Bildungsweg an dieser Schulform fort, während an den Gesamtschulen knapp 40 % den direkten Weg zum Abitur anstreben und es an der Gesamtschule auch häufig entgegen ihrer SchulformempfehlungDie Empfehlung der Schulform ist Teil des Halbjahreszeugnisses der Klasse 4. Darin werden die Schulform Hauptschule, Realschule oder Gymnasium benannt, für die das Kind nach Auffassung der Grundschule geeignet ist, daneben auch die Gesamtschule und Sekundarschule. Ist ein Kind nach Auffassung der Grundschule für eine weitere Schulform mit Einschränkungen geeignet, wird auch diese mit dem genannten Zusatz benannt. Die Empfehlung ist zu begründen. Über die Empfehlung und deren Begründung entscheidet die Klassenkonferenz als Versetzungskonferenz. Die Eltern melden die Schüler*innen unter Vorlage des Halbjahreszeugnisses der Klasse 4 an einer Schule der von ihnen gewählten Schulform an. Diese Schule unterrichtet die Grundschule über die Anmeldung.Schulformempfehlung erlangen (Dahlhaus, 2020). Die Gesamtschule verlassen am Ende der Sekundarstufe I darüber hinaus viele Schüler*innen und wechseln in einen Bildungsgang des Berufskollegs/BerufsschulenDie Berufskollegs umfassen ein großes Spektrum verschiedener Bildungsgänge mit unterschiedlicher Zielsetzung und unterschiedlichen Abschlüssen (Fachschule; Fachoberschule; Berufsschule; Berufsfachschule; Berufliches Gymnasium). Im Einzelnen sind das solche, die der Ausbildungsvorbereitung dienen (BK-Anlage A), sowie solche, die eine Kombination aus beruflicher und schulischer Qualifikation beinhalten und mit zwei Abschlüssen (einem beruflichen und einem schulischen) beendet werden (BK-Anlage B3; BK-Anlage C1).Berufskollegs bzw. beginnen eine duale Ausbildung.

Hauptschulen, Sekundarschulen und Realschulen verfügen über spezifische Übergangsprofile. Absolvent*innen, Abgänger*innen und Abbrecher*innenIm allgemeinbildenden Schulwesen werden Personen, die die Schule mindestens mit einem Ersten Schulabschluss verlassen, als Absolvent*innen bezeichnet; Abgänger*innen sind Personen, die die allgemeinbildende Schule nach Vollendung der Vollzeitschulpflicht ohne zumindest den Ersten Schulabschluss verlassen. Dies schließt auch Jugendliche ein, die einen spezifischen Abschluss der Förderschule erreicht haben. Im Bereich der beruflichen Ausbildung gelten Personen, die einen Bildungsgang mit Erfolg durchlaufen, als Absolvent*innen. Wird ein Bildungsgang vorzeitig bzw. eine vollqualifizierende Ausbildung ohne Berufsabschluss verlassen, handelt es sich um Abbrecher*innen. Diese können gleichwohl die Möglichkeit genutzt haben, einen allgemeinbildenden Schulabschluss nachzuholen. Im Hochschulbereich bezeichnet man Personen, die ein Studium erfolgreich abgeschlossen haben, als Absolvent*innen. Studienabbrecher*innen sind Studierende, die das Hochschulsystem ohne Abschluss verlassen. Personen, die einen Studienabschluss nach dem Wechsel des Studienfachs und/oder der Hochschule erwerben, gelten nicht als Abbrecher*innen.Absolvent*innen von Realschulen setzen zu rund 25 % ihren Bildungsweg direkt zum Abitur an einer Gesamtschule oder einem Gymnasium fort, die Übrigen wechseln zum Berufskolleg. Immerhin 26 % besuchen dort eine Berufsfachschule. Absolvent*innen von Sekundarschulen wechseln im Vergleich dazu seltener an eine allgemeinbildende Oberstufe und nehmen dafür häufiger eine duale Ausbildung auf bzw. besuchen eine Berufsfachschule. Das Gros der Hauptschulabsolvent* innen nimmt im Anschluss an die Sekundarstufe I eine duale Ausbildung auf bzw. besucht eine Berufsfachschule, knapp 19 % wechseln in einen ausbildungsvorbereitenden Bildungsgang.

Die Schüler*innenzahlen in der Sekundarstufe II sind weiterhin rückläufig, ebenso wie in den Berufskollegs

Die Schülerschaft innerhalb der Sekundarstufe II an Gesamtschulen, Gymnasien und Freien Waldorfschulen, in der die allgemeine Schulpflicht nicht mehr greift, ist in der Metropole Ruhr und auch in allen Kommunen durch einen Rückgang um durchschnittlich 6,8 % geprägt (Abbildung 3.6). Dieser Trend ist in allen Kommunen mit leichten Unterschieden zu verzeichnen und zeichnete sich bereits im vorherigen Berichtszeitraum des Bildungsberichts Ruhr ab.

An den Beruflichen Schulen ist ebenfalls ein Rückgang der Schüler*innenzahlen (–6,7 %) zu verzeichnen, der kommunal leicht unterschiedlich, aber besonders hoch in Mülheim an der Ruhr (–21,7 %) sowie in Gelsenkirchen (–13,2 %) ausfällt. Im Gegensatz dazu hat Bochum einen Rückgang um nur 1,7 % zu verzeichnen.

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