Bildungsbericht Ruhr 2024

Außerschulische Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung

Dr. Markus Küpker

7.6. Zusammenfassung und Ausblick

Das vorliegende Kapitel hat auf der Basis von Daten eines Forschungsprojektes zur außerschulischen Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung erstmals einen Überblick über die außerschulische Bildungslandschaft des Ruhrgebiets geben können.

Mit über 10.000 Organisationen bietet der außerschulische Bereich ein reiches und wichtiges Potenzial zur Bewältigung der großen Bildungsaufgaben der Region. Dabei steht die außerschulische Bildungslandschaft des Ruhrgebiets selbst vor mehreren Herausforderungen, die zugleich auch Chancen zur Weiterentwicklung bieten. Eine der zentralen Fragen für die Zukunft wird die Sicherstellung der Chancengleichheit beim Zugang zu Bildungsangeboten sein.

Die bisherigen Analysen zeigen, dass sich die außerschulischen Bildungsstrukturen im Hinblick auf die Art und Dichte der vorhandenen Bildungsakteure in sozial benachteiligten Quartieren – insbesondere im Kernruhrgebiet – von anderen Quartieren signifikant unterscheiden, was möglicherweise zu einer geringeren Partizipation an wichtigen Bildungsangeboten führt. Das gilt insbesondere für den Sport. Es fehlt leider an Daten, um auf der Ebene der gesamten Region detailliertere Aussagen machen zu können. Das könnte jedoch ein Ausgangspunkt eines interkommunalen Austauschs zu dieser Thematik sein.

Um aber etwaige Disparitäten zu vermeiden oder zu verringern, wären gezielte Fördermaßnahmen notwendig, die sowohl den Zugang als auch die Qualität der außerschulischen Bildungsangebote in benachteiligten Quartieren verbessern. Außerschulische Akteure wirken nicht selten als Brückenbauer – zwischen den Bildungsinstitutionen, den Altersklassen und verschiedenen sozialen Gruppen. Aus den vorliegenden Daten scheint es, als könnten insbesondere Verbände der Kinder und Jugendarbeit diese Aufgabe noch stärker wahrnehmen.

Das thematische außerschulische Angebot im Ruhrgebiet ist sehr vielfältig und schwerpunktmäßig auf die großen Herausforderungen der Region ausgerichtet: Nach dem großen Sportangebot, dass auf Tausende von Vereinen zurückzuführen ist, dominieren soziale, kulturelle und Umweltthemen das Angebot. Sichtbar ist jedoch auch eine Unwucht zulasten wirtschaftsthematischer Angebote, die zudem sehr oft im sozialen Kontext von Armut bzw. Armutsbekämpfung aufscheinen. Vielleicht braucht es hier im am Gemeinwohl orientierten außerschulischen Bildungsbereich eine noch stärkere Mobilisierung und ein stärkeres Engagement von Organisationen mit ökonomischem Know-how und innovativen Ansätzen. Das könnte ein Feld für ein gemeinnütziges Engagement von Unternehmen sein.

Im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung zeigt sich, dass bereits viele Akteure das Potenzial haben, BNE zu integrieren, jedoch bislang nur ein kleiner Teil von ihnen formal zertifiziert ist. Das verdeutlicht, dass größere Anstrengungen als bisher erforderlich sind, um das Bewusstsein für BNE in der Bildungslandschaft des Ruhrgebiets zu stärken und ggf. den Zertifizierungsprozess attraktiver zu gestalten, wenn die Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes aufgehen soll.

Korrespondierend zum blinden Fleck Ökonomie im außerschulischen Bildungsangebot wird auch der Nachhaltigkeitsbegriff im BNE-Kontext eher mit sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit verbunden. Es könnte sinnvoll sein, über Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit eine hohe Wertschätzung außerschulischer Bildungsarbeit zu kommunizieren und überhaupt ein Bewusstsein bei den Akteuren zu verankern, dass sie Bildungsakteure sind. Fünf Jahre vor dem Ende der Agenda 2030Die Agenda 2030 ist ein globaler Aktionsplan, der 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Sie umfasst 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (s. auch Glossareintrag Sustainable Development Goals – SDGs), die bis 2030 weltweit erreicht werden sollen. Diese Ziele decken ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte ab, darunter Armutsbekämpfung, Bildung, Gleichstellung der Geschlechter, Klimaschutz und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Die Agenda 2030 zielt darauf ab, eine nachhaltigere, gerechtere und friedlichere Welt zu schaffen.Agenda 2030 scheint das noch ein weiter Weg zu sein. Vor allem kommunale Initiativen und eine höhere Priorisierung der BNE-Thematik in den Kommunen könnten dabei eine zentrale Rolle spielen, indem sie als Vermittler zwischen den verschiedenen Bildungsakteuren agieren und den Austausch von Best Practices fördern. Zum Teil wird eine solche kommunale Rolle auch durch staatliche Mittel gefördert. Beispielsweise zielen verschiedene Projekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) – zuletzt im Rahmen der „Bildungskommunen“ (Bundesanzeiger vom 18.01.2022) – auf die Stärkung der Rolle der Kommunen im Kontext des datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements (DKBM) ab und legen dabei einen Schwerpunkt auf den außerschulischen Bereich, insbesondere auf das Thema BNE. Eine Reihe von Ruhrgebietskommunen nimmt an diesen Projekten teil. Aktuelle Erweiterungen des Programms sind darauf angelegt, die Koordinierungsfunktion der Kommunen in der außerschulischen Bildung zu stärken (BMBF, Bundesanzeiger vom 31.5.2024).

Ein weiteres zentrales Thema ist die Finanzierungssicherheit der Bildungsakteure. Die Ergebnisse der Befragung deuten darauf hin, dass viele Organisationen, die außerschulische, insbesondere aber BNE-orientierte Bildungsangebote entwickeln, finanziell nicht langfristig abgesichert sind. Hier besteht die Gefahr, dass wertvolle Bildungsangebote wegbrechen könnten, wenn keine dauerhafte Finanzierung sichergestellt wird. Sollten sich die Verhältnisse wie in den Befragungsdaten darstellen, dann wäre rund die Hälfte der Angebote gefährdet zu einem Zeitpunkt, zu dem – auch vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel im Bildungsbereich – strategische Partner zu Bewältigung und qualitativen Sicherung der Ganztagsbetreuung wichtig wären und zu dem sich die Region auf den Weg macht, zur „grünsten Industrieregion“ werden zu wollen.

Darüber hinaus ist die Datenlage zur außerschulischen Bildung und zur BNE noch dünn. Es fehlt an regelmäßig erhobenen und regional spezifischen Daten, die eine kontinuierliche Bewertung der Entwicklungen in diesen Bildungsbereichen ermöglichen. Regelmäßige Befragungen oder andere Datenerhebungen, ggf. auf bestimmte Akteursgruppen zugeschnitten, könnten Abhilfe schaffen, um die Wirksamkeit und Reichweite der außerschulischen Bildungsangebote sowie die Verankerung von BNE systematisch zu erfassen und auszuwerten. Aufgrund der Größe der Region ist das sicherlich eine schwierige, wenngleich lohnende Aufgabe, da solche Daten essenziell sind, um politische Entscheidungen fundiert zu treffen und gezielte Förderprogramme zu entwickeln.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die außerschulische Bildung und die Bildung für nachhaltige Entwicklung im Ruhrgebiet zwar bereits gut aufgestellt sind, jedoch weiterhin strukturelle und finanzielle Herausforderungen bestehen. Mit einer verstärkten politischen Priorisierung und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit sowie gezielten Investitionen könnte sich das Potenzial insbesondere von den zahlreichen Organisationen mobilisieren lassen, die bereits eine große BNE-Affinität zeigen. So könnte die Region eine Vorreiterrolle in der Umsetzung nachhaltiger Bildungsstrategien einnehmen.

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