Bildungsbericht Ruhr 2024
Hochschule
5.4. Fächerwahl und Arbeitsmarkt in der Metropole Ruhr
Studienfächer an den Hochschulen der Metropole Ruhr
An den Universitäten im Ruhrgebiet sind im Studienjahr 2022/23 etwa 60 % der männlichen Studierenden in den Ingenieurwissenschaften oder in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften eingeschrieben (sog. MINT-Fächer). Dieser Anteil ist im Rheinland mit rund 56 % und in Westfalen mit etwa 40 % deutlich geringer. Besonders in Westfalen studieren zwei Drittel der männlichen Studierenden geistes-, rechts-, wirtschafts- oder sozialwissenschaftlichen Fächer. Bei den weiblichen Studierenden dominieren diese Studiengänge in allen Regionen. An den Hochschulen für angewandte Wissenschaften hingegen konzentrieren sich sowohl Männer als auch Frauen stärker auf ingenieurwissenschaftliche sowie rechts-, wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Studiengänge. Dabei fokussieren sich die männlichen Studierenden überwiegend auf Ingenieurwissenschaften, während nur ein vergleichsweise kleiner Anteil der Frauen diesen Bereich wählt (Abbildung 5.14).
Die Wahl der Studienfächer zeigt seit Jahren eine bemerkenswerte Stabilität: Sowohl innerhalb der Gruppe der männlichen als auch der weiblichen Studierenden bleibt die Verteilung der Fächerwahl in allen Regionen und über die Zeit weitgehend konstant. Dies deutet darauf hin, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Studienwahl weiterhin bestehen bleiben. Auch nach der Corona-Pandemie zeigen sich keine größeren Veränderungen bei der Fächerwahl. Die geschlechtsspezifische Selektion bei den Studienfächern wird nach erfolgreichem Studienabschluss zu unterschiedlichen beruflichen Laufbahnen bei Männern und Frauen führen. Diese geschlechterbezogene Konzentration in verschiedenen Berufsfeldern trägt in Deutschland zum Gender-Pay-Gap bei, also zu den Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen. Da der Anteil der Frauen, die ein ingenieur- oder naturwissenschaftliches Studium wählen, weiterhin gering ist und in den entsprechenden Berufen höhere Einkommen erzielt werden, ist zu erwarten, dass das Gender-Pay-Gap auch bei den Hochqualifizierten in Zukunft bestehen bleibt.
Zukunftsberufe in der Metropole Ruhr
Die Wahl der Studienfächer und der erlangten Qualifikationen hat nicht nur Konsequenzen für die individuellen Laufbahnen, sondern auch für die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Region. Eine spezielle Auswertung zu den Zukunftsberufen im Ruhrgebiet (Bachmann et al., 2024) zeigt, dass für Berufe, die zur Bewältigung der Megatrends Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischer Wandel erforderlich sind, in den kommenden Jahren ein erheblicher Fachkräftemangel prognostiziert wird. Dieser Mangel betrifft insbesondere MINT-Qualifikationen. Besonders in den sogenannten grünen Zukunftsberufen zur Bewältigung der Dekarbonisierung wie Energie- und Elektrotechnik sowie Architektur und Bauplanung zeigt sich im Ruhrgebiet ein großes Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspotenzial, das durch einen starken Aufholprozess im Vergleich zu anderen Metropolregionen gekennzeichnet ist. Auch in den digitalen Berufen der Softwareentwicklung oder Informatik bestehen vielversprechende Zukunftsperspektiven. Die Studiengänge für diese Zukunftsberufe werden im Ruhrgebiet an Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Universitäten angeboten, sie müssen aber stärker nachgefragt werden.
Die Zahl der Studierenden in den Studiengängen der Ingenieur- und Naturwissenschaften bzw. der Mathematik (MINT-Fächer) ist im Ruhrgebiet leicht rückläufig, während in anderen Metropolregionen starke Zuwächse zu verzeichnen sind (Abbildung 5.15). Im Ruhrgebiet werden diese Studiengänge weiterhin überwiegend von Männern studiert; Frauen entscheiden sich seltener für ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studiengänge, und eine Trendwende ist nicht zu erkennen: Von allen Studentinnen an Universitäten sind nur 32,4 % in einem MINT-Fach eingeschrieben, bei Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind es sogar nur 26,7 %. Im Gegensatz zu den Studentinnen wählen rund 60 % der Studenten an Universitäten bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften ein MINT-Fach. Auch Bachmann et al. (2024) zeigen, dass die Metropolregion Ruhr im Vergleich zu anderen Metropolregionen den niedrigsten Frauenanteil in den genannten Fächern hat. Das Potenzial von Frauen zur Deckung des Fachkräftemangels in Zukunftsberufen könnte deshalb auch in der Metropole Ruhr besser genutzt werden.
Insgesamt steigt die Beschäftigung in den Zukunftsberufen, im Ruhrgebiet sogar stärker als in anderen Regionen. Der Beschäftigungszuwachs in den Zukunftsberufen lag im Ruhrgebiet zwischen 2018 und 2022 mit 18,6 % höher als im Rheinland, wo er bei 14,2 % lag. Die steigende Nachfrage nach Arbeitskräften in diesen Branchen ist bereits heute nicht mehr durch das inländische Arbeitskräftepotenzial zu decken und wird durch nicht deutsche Fachkräfte bedient. Auch nimmt der Anteil an nicht deutsche Studierenden im Ruhrgebiet über die vergangenen Jahre kontinuierlich zu (Abschnitt 3.2), was darauf hindeutet, dass das Ruhrgebiet für nicht deutsche Studierende besonders attraktiv scheint. Dieses Potenzial nicht deutscher Studierender in den MINT-Fächern kann genutzt werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Um bestehende Potenziale für den regionalen Arbeitsmarkt und die Bewältigung der Megatrends voll auszuschöpfen, sollte ein Umfeld geschaffen werden, das nicht deutsche Studierende auch nach ihrem Studium in der Region hält und ihnen den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtert.