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Bildungsbericht Ruhr 2024

Zusammenfassung


8.10. Ausblick

Das Ruhrgebiet ist nicht die einzige Region mit einem herausgeforderten Bildungssystem. Die Schlagworte Bildungsnotstand und Bildungskrise werden durchaus für Gesamtdeutschland verwendet und beziehen sich auch hier insbesondere auf die Situation der Kitabetreuung und das Schulsystem. Verantwortlich gemacht werden ein gigantischer Investitionsstau in Kombination mit Fachkräftemangel entlang der Bildungskette, unflexiblen Strukturen, (relativ) neuen Aufgaben wie Digitalisierung und Inklusion sowie exogenen Faktoren wie Zuwanderungsbewegungen und nicht zuletzt die Corona-Pandemie.

Wie der vorliegende Bericht zeigt, ist das Ruhrgebiet aufgrund seiner strukturellen und sozialen Probleme weniger krisenresilient als andere Regionen und kann von Gunstphasen weniger profitieren. Die Region ist also von der – seit Langem schwelenden – Krise des Bildungssystems besonders schwer betroffen und hat zugleich geringere Handlungsspielräume, die Herausforderungen anzugehen.

Die Kommunen sind auf lokaler Ebene die zentralen Akteure in der Bildungslandschaft. Sie brauchen dringend mehr Handlungsspielräume, um die Bereiche Schule, Kita, allgemeine Weiterbildung oder außerschulische Bildung gestalten zu können. Ihre Möglichkeiten sind durch die engen finanziellen Spielräume allerdings begrenzt. Das Ruhrgebiet ist die Metropolregion mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Gründe dafür sind sinkende Steuereinnahmen, neue Aufgaben, gestiegene Kosten und vor allem auch hohe Sozialausgaben; hier korrespondiert die Armut der Region mit der Armut großer Teile der Bevölkerung. Die kommunale Armut stellt eines der wesentlichsten Hemmnisse für die Entwicklung des Bildungssystems in der Region dar. Der Weg zu einem chancengerechteren Bildungssystem im Ruhrgebiet muss deshalb auch über die Schaffung von Freiräumen für dringend erforderliche Bildungsinvestitionen gehen.

Blicken wir zum Abschluss auf gesellschaftliche Entwicklungen und Zusammenhänge. Einige davon wurden im Bildungsbericht 2020 als zentrale Themenfelder der künftigen Entwicklung des Ruhrgebiets genannt. Sie haben sich in den vergangenen vier Jahren nicht grundlegend gewandelt. In einigen Bereichen haben sie sich aber deutlich verlagert. Sie charakterisieren nicht nur den Rahmen, in dem das Bildungssystem sich weiterhin bewegt, sondern zeigen auch, dass gelingende Bildung für die Zukunftsfähigkeit des Ruhrgebiets von zentraler Bedeutung ist.

Auswirkungen der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie hat die Vulnerabilität und die Herausforderungen des Bildungssystems wie unter einem Brennglas deutlich gemacht. Wir haben empirische Hinweise darauf, dass bestehende Ungleichheiten durch Maßnahmen wie z. B. Schulschließungen vergrößert worden sind. Eine Reihe von Maßnahmen unter der Überschrift „Aufholen nach Corona“ hat die Lernrückstände seither ins Visier genommen, von denen besonders Schüler*innen in sozial herausfordernden Lagen betroffen waren.

Einige der Auswirkungen betreffen nur einzelne Kohorten von Kindern und Jugendlichen und sind u. U. temporärer Natur. Psychische Probleme von Schüler*innen, die in der Pandemie gehäuft verzeichnet wurden, sowie größere Schwierigkeiten von Studienanfänger*innen bei der sozialen Integration ins Studium gehören zu den Phänomenen, die inzwischen etwas abgeklungen zu sein scheinen. Wie jedoch die mittel- und langfristigen Folgen der Pandemie aussehen, wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt vielfach (noch) nicht.

Deutliche und unter Umständen dauerhafte Strukturänderungen sehen wir in Bereichen der Digitalisierung in der Bildung, wo die Pandemie bezüglich der Nutzung von Hard- und Software als eine Art Katalysator gewirkt hat. Wir sehen sie auch auf dem dualen Ausbildungsmarkt in Deutschland, wo es 2020 – wie schon infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise nach 2008 – zu einem deutlichen Einbruch der Ausbildungsstellen gekommen ist. Seither erholt sich die Zahl der Ausbildungsstellen, zugleich geht allein aus demografischen Gründen die Zahl der potenziellen Bewerber*innen zurück.

Hier muss weiter ein Augenmerk auf eine rechtzeitige und hochwertige Berufsorientierung in den allgemeinbildenden Schulen gelegt werden. Darüber hinaus müssen Begleitung und Unterstützung während der Ausbildung verbessert werden, um Abbruchquoten zu verringern und die Quote erfolgreicher Abschlüsse von Ausbildungsverhältnissen zu steigern.

Strukturwandel

Der Weg zur „grünsten Industrieregion der Welt“ kann ohne ein leistungsfähiges Bildungssystem nicht gelingen. Tendenziell erfordert der Strukturwandel Arbeitskräfte mit höherer Qualifikation vor allem im MINT-Bereich. Die Hochschulen im Ruhrgebiet sind hier mit ihrem Schwerpunkt auf den Ingenieurwissenschaften gut aufgestellt. Seit Jahren unternimmt man Anstrengungen, um mehr Frauen für MINT-Fächer zu begeistern, die weiter vorangetrieben werden müssen. Das gilt vor allem für das den Hochschulen vorgelagerte Bildungssystem. Es ist wichtig und vielversprechend, dass in vielen Kitas der Region bereits im frühkindlichen Bereich ein besonderes Augenmerk auf die MINT-Bildung gelegt wird. Es gibt jedoch auch ein großes außerschulisches Bildungsangebot, dass sich mit diesen Themen direkt an Mädchen richtet und zum Teil durch Hochschulen gefördert wird. Es wäre wichtig, die nachhaltige Finanzierung dieser außerschulischen Bildungsstrukturen sicherzustellen und ihren Ausbau voranzutreiben. Generell stellt der strukturelle Wandel immer höhere Ansprüche an die Qualifizierung der Beschäftigten. Der relativ geringe Anteil an Absolvent*innen mit Fachhochschul- oder Hochschulreife und hoch qualifizierten Kräften sowie die Matchingprobleme auf dem Ausbildungsmarkt sind Entwicklungshemmnisse für die Wirtschaft des Ruhrgebiets. Das Qualifikationsniveau der Bevölkerung ist deshalb insgesamt zu steigern.

Demografischer Wandel und Fachkräftemangel

Eng verbunden mit dem Strukturwandel ist das Thema des demografischen Wandels und der damit einhergehende Fachkräftemangel. Der Fachkräftemangel wird inzwischen als eines der größten Hemmnisse sowohl für die wirtschaftliche Entwicklung als auch für die Weiterentwicklung des Bildungssystems gesehen, wo vor allem Erzieher*innen und Lehrkräfte fehlen.

Der ungedeckte Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften (Strukturwandel) darf nicht verdecken, dass es auch einen großen Bedarf an Arbeitskräften mit anderen Qualifikationen gibt. Das ist nicht zuletzt auch eine Erfahrung aus der Pandemie, als die Verfügbarkeit von Pflegekräften in den Krankenhäusern oder von Kassierer*innen in Supermärkten und nicht zuletzt der Erzieher*innen in den Kitas die Systemrelevanz dieser Berufe vor Augen geführt hat.

Bildung ist einer der Schlüssel bei dieser Thematik: Ein dysfunktionales Bildungssystem kann über verschiedene Mechanismen den Fachkräftemangel massiv verschärfen. Andersherum ist ein leistungsfähiges Bildungssystem geeignet, das Qualifikationsniveau der Bevölkerung insgesamt zu steigern. Berührt wird dabei nicht nur die schulische, berufliche und akademische Bildung, sondern vor allem auch die berufliche Weiterbildung.

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