Bildungsbericht Ruhr 2024
Frühe Bildung
Steigende Anteile von Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache
Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund
Der konstante oder zum Teil sogar sinkende Anteil könnte zum einen dadurch bedingt sein, dass es sich bei den Eltern der betreuten Kinder in zunehmendem Maße um Menschen der zweiten und dritten Generation handelt, die zwar einen Migrationshintergrund haben, aber selbst – ebenso wie ihre Kinder – in Deutschland geboren sind, sodass die Kinder in der Statistik nicht mehr mit dem Merkmal „Migrationshintergrund“ geführt werden. Zum anderen zeigen Analysen, dass Kinder mit Migrationshintergrund bei knappen Plätzen überproportional häufig keinen Platz bekommen (Fischer et al., 2024). Angesichts der insgesamt sinkenden Betreuungsquoten könnte die Benachteiligung von Familien mit Migrationshintergrund in der Konkurrenz um knappe Plätze zu einem sinkenden oder stagnierenden Anteil dieser Gruppe an der Gesamtzahl der betreuten Kinder beitragen.
Vergleicht man die Situation im Ruhrgebiet mit anderen Metropolregionen, so zeigt sich, dass die Unterschiede zwischen den Anteilen bei den unter und den über drei Jahre alten Kindern überall eine ähnliche Größenordnung haben (Abbildung 2.21/2.22), wobei sich in Berlin und Hamburg allerdings ein Rückgang der Unterschiede abzeichnet. Familien mit Migrationshintergrund nutzen die Betreuung für unter Dreijährige seltener als Familien ohne Migrationshintergrund. Allgemein lässt sich auch feststellen, dass in fast allen Regionen in der Kindertagesbetreuung ein hoher Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund zu finden ist; in der Metropole Ruhr zeigen sich hier mittlere Werte. Inwieweit ein geringerer Anteil in manchen Regionen auf einen relativ hohen Anteil an Familien der zweiten oder dritten Generation zurückzuführen sind, kann hier nicht ermittelt werden. Dieser Aspekt könnte allerdings den vergleichsweise geringen Anteil im Ruhrgebiet und vor allem in Berlin erklären, während der hohe Anteil im Frankfurter oder im Stuttgarter Raum damit zusammenhängen könnte, dass dort relativ viele international – und zum Teil in wechselnden Ländern – erwerbstätige Personen leben und arbeiten. Die Definition des Merkmals „Migrationshintergrund“ in der Jugendhilfestatistik erweist sich also in zunehmendem Maße als schwierig, wenn es darum geht, sozialstrukturelle Bedingungen zu erfassen.
Anders stellt sich die Entwicklung im Ruhrgebiet dar, wenn man statt nach dem Migrationshintergrund nach der Familiensprache differenziert. Der Anteil von Kindern mit nicht deutscher Familiensprache liegt in der Metropole Ruhr höher als im Landesdurchschnitt, ist seit 2019 weiter angestiegen und erreicht 2023 mit 32,6 % fast den Wert des Anteils der Kinder mit Migrationshintergrund (Abbildung 2.23). In einzelnen Kommunen gibt es sogar mehr betreute Kinder mit nicht deutscher Familiensprache als mit Migrationshintergrund. Erklärungen für diesen auf den ersten Blick erstaunlichen Befund ergeben sich daraus, dass in Familien mit Eltern aus der zweiten Generation, deren Kinder nicht mehr unter das Merkmal „Migrationshintergrund“ fallen, häufig nicht die deutsche Sprache gesprochen wird. Für die Bildungsarbeit in der Kindertagesbetreuung ist dieser Befund von hoher Bedeutung; mit dem Anstieg der Anzahl von Kindern mit nicht deutscher Familiensprache steigen auch die Anforderungen an die Sprachbildung.