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Bildungsbericht Ruhr 2024

Frühe Bildung

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey
Dr. PH Sabine Wadenpohl

2.1. Die Bildungsinfrastruktur: wachsende Herausforderungen für die Förderung von Drei- bis Sechsjährigen

Die Anzahl der Kindertageseinrichtungen in der Region ist seit 2019 weiter gestiegen (Abbildung 2.2). Im Jahr 2013 gab es hier 2.392 Kitas; 2019 waren es 2.541 und 2023 2.698. Als ein zentraler Engpassfaktor für den weiteren Ausbau der frühen Bildung, aber auch für die Aufrechterhaltung der vertraglich zugesicherten Betreuungszeiten wird inzwischen der wachsende Personalmangel diskutiert – obwohl die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen weiterhin positiv ist (Abbildung 2.3), wobei der Anstieg in der Metropole Ruhr inzwischen sogar etwas stärker ausfällt als im Landesdurchschnitt. Mit einem Anstieg der Beschäftigtenzahlen um knapp 20 % (in Vollzeitäquivalenten) kann die frühe Bildung weiterhin als ein dynamisches Element auf dem Arbeitsmarkt bezeichnet werden. Bei der Entwicklung der Altersstruktur zeigen sich inzwischen erste Erfolge der Anstrengungen im Feld der Ausbildung*Vergleiche dazu Kapitel 4.: Der Anteil der Nachwuchskräfte (unter 25 Jahre) ist in der Metropole Ruhr von 11,2 % auf 14,0 % gestiegen; rechnet man die Beschäftigten bis zum Alter von 35 Jahren dazu, hat sich der Anteil der Jüngeren von 36,2 % auf 40,3 % erhöht (Abbildung 2.4). Damit liegt der Anteil jüngerer Beschäftigter im Ruhrgebiet immer noch leicht unter dem Landesdurchschnitt, die Entwicklungstrends sind jedoch vergleichbar.

Personalmangel trotz Ausbau der Ausbildung

Dennoch wird das Thema der Nachwuchsgewinnung weiterhin von hoher Bedeutung sein. Konkrete Zahlen zum Personalmangel gibt es allerdings nicht, da in der Kinder- und Jugendhilfestatistik nur vorhandene Beschäftigte, nicht jedoch eventuell fehlendes Personal erfasst wird. Auch im bundesweiten Bericht der Autor*innengruppe Fachkräftebarometer (2023) ist zwar immer wieder vom Fachkräftemangel die Rede, es gibt jedoch weder konkrete Zahlen noch Konzepte, wie diesem Problem entgegenzuwirken wäre. Ein klarer Hinweis auf den Mangel ergibt sich aus der Relation zwischen arbeitslos gemeldeten Personen und offenen Stellen: Im Jahr 2022 kamen bundesweit auf 100 offene Stellen für Erzieher*innen nur 62 arbeitslos gemeldete Personen, und der Beruf wird inzwischen von der Bundesagentur für Arbeit als Engpassberuf geführt (Autor*innengruppe Fachkräftebarometer, 2023). Bei Kinderpfleger*innen beträgt die Relation 100 zu 193, sodass sich hier ein größeres Reservoir für die Besetzung offener Stellen ergibt. Konstatiert wird in dem Bericht eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen („Fachkräftemangel trotz guter Beschäftigungsbedingungen“, Autoren*innengruppe Fachkräftebarometer, 2023, S. 6), beispielsweise ein Rückgang von Befristungen auch bei Berufseinsteiger*innen, ein im Vergleich zu anderen Beschäftigtengruppen stärker gestiegenes Gehalt sowie geringe Anteile an unfreiwilliger Teilzeit (Autor*innengruppe Fachkräftebarometer, 2023).

Strukturen der Kitalandschaft

Weiterhin erfolgt der Platzausbau nicht nur durch die Gründung neuer Kitas, sondern nicht zuletzt durch den Trend hin zu größeren Einrichtungen (Abbildung 2.5). Der Anteil von Einrichtungen mit mehr als 70 Kindern ist in der Metropole Ruhr wie auch landesweit seit 2019 weiter gestiegen – von 36,2 % auf 41,1 %.

Die Verantwortung für die Bereitstellung von Plätzen liegt bei dem jeweiligen örtlichen Jugendamt.*Jugendämter sind angesiedelt bei kreisangehörigen Kommunen, Kreisen sowie bei größeren kreisangehörigen Städten (wobei im Ruhrgebiet die Besonderheit besteht, dass es in den Kreisen Ennepe-Ruhr und Recklinghausen kein Kreisjugendamt gibt). Die Zahlen
der vier Kreise im Ruhrgebiet, die in diesem Kapitel dargestellt werden, setzen sich demnach zusammen aus den Zahlen der einzelnen kreisangehörigen Kommunen und ggf. des Kreisjugendamtes. Eine interkommunale Differenzierung innerhalb der Kreise hätte den Rahmen dieses Kapitels gesprengt.
Die Kitalandschaft ist durch ein breites Trägerspektrum gekennzeichnet; gemäß dem im Kinderund Jugendhilfegesetz verankerten Subsidiaritätsprinzip spielen freie Träger eine große Rolle. Gut drei Viertel der Kitas – im Ruhrgebiet ebenso wie im Landesdurchschnitt – befinden sich in freier Trägerschaft, Träger sind vor allem die beiden christlichen Kirchen und ihre Verbände, des Weiteren bspw. die Arbeiterwohlfahrt und das Deutsche Rote Kreuz, Vereine, Elterninitiativen und vereinzelt auch gemeinnützige oder auch gewerbliche GmbHs. Nachdem der Anteil an Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft zwischen 2013 und 2019 leicht gesunken war, hat er sich seitdem stabilisiert.

Nach wie vor sind deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kommunen und auch teils gegenläufige Entwicklungen zu beobachten (Abbildung 2.6). Der
Anteil öffentlicher Träger liegt 2023 zwischen 6,4 % in Hamm und 60,6 % in Gelsenkirchen, wo kontinuierlich sogar ein weiterer Anstieg festzustellen ist. Ein leichter Anstieg des Anteils von Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft findet sich seit 2019 außerdem in Hagen und Herne und in den Kreisen
Recklinghausen und Wesel.

Kitas in herausfordernden Lagen

Einen Einblick in die Herausforderungen, denen sich Kitas im Ruhrgebiet gegenüber sehen, gibt die auf dem Sozialindex für Grundschulen basierende Karte (Abbildung 2.7)*Der Sozialindex umfasst neun Stufen und setzt sich aus vier Indikatoren zusammen: Kinder- und Jugendarmut, gemessen anhand der Dichte der SGB-II-Quote der Minderjährigen im geschätzten Einzugsgebiet der Grundschulen, Anteil der Schüler*innen mit vorwiegend
nicht deutscher Familiensprache, Anteil der Schüler*innen mit eigenem Zuzug aus dem Ausland, Anteil der Schüler*innen mit den Förderschwerpunkten Lernen, emotionale und soziale Entwicklung und Sprache (Schräpler & Jeworutzki, 2023).
. Mit einem roten Punkt wurden diejenigen Kitas markiert, die in der Nähe mindestens einer Grundschule mit einem Sozialindex von 6 bis 9 liegen. Hier zeigt sich, dass etwa ein Drittel der Kitas im Ruhrgebiet in einer herausfordernden Lage angesiedelt ist. Deutlich wird auch die starke Konzentration von Kitas in herausfordernder Lage in einigen Kernstädten, beispielsweise im Essener Norden oder im Gelsenkirchener Süden.

In Nordrhein-Westfalen im Allgemeinen und im Ruhrgebiet im Besonderen gibt es ein breites Spektrum an Angeboten, um für Kinder und Familien in schwierigen Lebenssituationen in Kooperation mit Kitas Unterstützung bereitzustellen. Zu nennen sind Familienzentren, die Familien im Sozialraum ein niederschwelliges Angebot an Familienbildung und -beratung bereitstellen und seit 2006 zu einer flächendeckenden Infrastruktur ausgebaut wurden (§§ 42/43 KiBiz), sowie seit 2011 die zusätzliche Förderung von Einrichtungen mit einem hohen Anteil an Kindern mit ungünstigen Startbedingungen und erhöhtem Sprachförderbedarf (plusKITAs, §§ 44/45 KiBiz) (Stöbe-Blossey et al., 2020). Mit der im August 2020 in Kraft getretenen Revision des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) wurden diese Programme weiter gestärkt. Die Jugendämter in den einzelnen Kommunen – sowohl im Ruhrgebiet als auch NRW-weit – nutzen die Landesförderungen in unterschiedlicher Weise, um, anknüpfend an die Institutionen früher Bildung, eine lokale Präventionspolitik auf- und auszubauen. Unterstützt werden die kommunalen Strategien durch weitere Landesprogramme, wie die Förderung kommunaler Präventionsketten für ein gelingendes Aufwachsen über das Programm „kinderstark – NRW schafft Chancen“.*https://www.kinderstark.nrw/ Die Konzentration von Kitas in benachteiligten Sozialräumen im Ruhrgebiet zeigt, dass der Bedarf an derartigen Programmen in der Region besonders hoch ist. Bei der Zuweisung von Landesmitteln für einige Programme, bspw. für Familienzentren oder plusKITAs, werden diese strukturellen Faktoren berücksichtigt, bei der Regelförderung von Kitas allerdings nicht.

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