Bildungsbericht Ruhr 2024
Frühe Bildung
2.4. Zusammenfassung und Ausblick
Die Infrastruktur früher Bildung wurde in der Metropole Ruhr in den letzten Jahren weiter ausgebaut, allerdings konnte der Ausbau nicht mit dem gleichzeitigen Wachstum der Bevölkerung in der entsprechenden Altersgruppe Schritt halten. Angesichts der im nordrhein-westfälischen wie auch bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlichen und bei den über Dreijährigen sinkenden Beteiligungsquoten sowie des geringen Anteils langer Betreuungszeiten sind erhebliche Anstrengungen für den quantitativen Ausbau erforderlich. Insbesondere der beschleunigte Rückgang der Bildungsbeteiligung bei den Drei- bis Sechsjährigen ist inzwischen als dramatisch zu bezeichnen; selbst für Fünfjährige ist der Kitaplatz in einigen Kommunen nicht mehr selbstverständlich, sodass immer mehr Kinder ganz ohne vorherigen Kitabesuch eingeschult werden. Das Thema der Teilhabe an Bildung im Kindergartenalter bedarf dringend verstärkter Aufmerksamkeit, nicht nur in der Region, sondern im Land und darüber hinaus bundesweit.
Auswertungen der deuten darauf hin, dass Kinder aus benachteiligten Familien besonders häufig keinen Kitaplatz erhalten – also genau die Kinder, die den Befunden zufolge vom Kitabesuch besonders profitieren würden. Aus den Daten des Jahres 2023 wird erneut der hohe Einfluss der Dauer des Kitabesuchs auf die Kompetenzentwicklung offenkundig; umso weniger kann eine frühzeitige Förderung ganz ohne Kita erfolgen. Dass bei den in den Schuleingangsuntersuchungen festgestellten Kompetenzen der Kinder nicht nur weiterhin erhebliche regionale Unterschiede, sondern auch wachsende Defizite gerade bei Kindern von Eltern mit niedrigem Bildungsstand und aus Familien mit nicht deutscher Familiensprache zu beobachten sind, ist demzufolge nicht verwunderlich. Der weitere Ausbau der Sprachförderung in den Kitas auf der Basis verbindlicher Curricula ist deshalb dringend erforderlich. Schuleingangsuntersuchungen
Sowohl für den quantitativen Ausbau als auch zur Sicherstellung der Qualität (nicht nur, aber insbesondere der sprachlichen Bildung) stellt der in wachsendem Maße wahrgenommene Fachkräftemangel einen zentralen Engpassfaktor dar. Obwohl die Kitas – gerade im Ruhrgebiet – in erheblichem Maße zusätzliches Personal gewinnen konnten, stellen Personalengpässe die Praxis vor wachsende Probleme. Hier zeigt sich, dass die bisherigen Strategien der Personalgewinnung zwar durchaus erfolgreich waren, aber zur Bewältigung der wachsenden Herausforderungen nicht ausreichen. Neben der weiteren Verstärkung der Ausbildung, vor allem durch die Erweiterung praxisintegrierter Ausbildungsgänge, werden hier neue Konzepte erforderlich sein – bspw. mit Blick auf die Gewinnung und Weiterqualifizierung von Quereinsteiger*innen und von zugewanderten Personen, den Ausbau der zweijährigen Ausbildungsgänge, die berufsbegleitende Weiterqualifizierung und die Einbindung des Personals in multiprofessionelle Teams.
Zu beachten ist dabei das Spannungsfeld zwischen steigenden inhaltlichen Anforderungen und Qualitätssicherung und -entwicklung einerseits und andererseits wachsenden Bedarfen, die wahrscheinlich auch über einen weiteren Ausbau der grundständigen Ausbildungsgänge nicht vollständig zu decken sein werden.
Angesichts der Bedeutung des Kitabesuchs für den Übergang in die Grundschule und die weitere Bildungsbiografie bedarf somit die Verbesserung des Kitazugangs im Ü3-Bereich insbesondere für sozial benachteiligte Gruppen dringend weiterer Aufmerksamkeit. Dazu gehört zum einen ein beschleunigter Ausbau, verbunden mit einer Überprüfung der Frage, ob die aktuellen Finanzierungsbedingungen angesichts gestiegener Bau- und Personalkosten für Kommunen und Träger hinreichende Möglichkeiten für die Erweiterung des Angebots bieten. Zum anderen muss die Inanspruchnahme gerade für Kinder, die besonders von den Angeboten früher Bildung profitieren würden, gezielt erleichtert und gefördert werden. Mit dem weiteren Ausbau der Infrastruktur müssen die Beteiligungschancen gerade dieser Zielgruppe, aber auch für unter Dreijährige aus Familien in schwierigen Lebenssituationen gestärkt werden. Dabei sind auch Möglichkeiten zur Entlastung von Elternbeiträgen, insbesondere für Familien mit geringem Erwerbseinkommen, in den Blick zu nehmen, da die Beitragshöhe für diese Familien potenzielle Zugangshürden darstellen – im Gegensatz zu Familien mit höherem Einkommen, bei denen kein Einfluss der Beitragshöhe auf die Bildungsteilhabe der Kinder zu beobachten ist. Da der Handlungsspielraum für Beitragsentlastungen gerade für finanzschwache Kommunen begrenzt ist, ist hier über landesweite Ausgleichsmechanismen nachzudenken – sowohl mit Blick auf die Kinder als auch auf die Kommunen gilt es, Ungleiches ungleich zu behandeln.