Bildungsbericht Ruhr 2024

Rahmenbedingungen

Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler
Sebastian Jeworutzki

Soziale Risikolagen

In Familien, die mit einer erhöhten „sozialen“ Risikolage konfrontiert sind (Autor*innengruppe Bildungsberichterstattung, 2024, S. 48), wachsen Kinder oft ohne den Zugang zu Netzwerken auf, die sich durch die Erwerbstätigkeit der Eltern ergeben. Diese Netzwerke könnten den Kindern nicht nur den Weg zu wichtigen Kontakten, sondern auch zu praktischen Hilfen und Anerkennung erleichtern, etwa beim Finden von Praktikums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen. Darüber hinaus erfüllt die Erwerbstätigkeit der Eltern auch eine wichtige Vorbildfunktion für die Kinder.

Abbildung 1.17 zeigt den prozentualen Anteil von Kindern in Familien ohne erwerbstätige Elternteile. Die Auswertung des MikrozensusDer Mikrozensus ist die jährliche Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik, bei der ungefähr 1 % der Bevölkerung zu Demografie, Erwerbstätigkeit und Bildung befragt wird. Da es sich beim Mikrozensus um eine repräsentative Zufallsstichprobe handelt, lassen sich die Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung übertragen und erlauben aufgrund der großen Anzahl an Befragten zudem auch regionale Analysen.

Vergleichbarkeit der Angaben aus dem Mikrozensus
Durch Umstellung auf eine neue Stichprobe 2016 ist die Vergleichbarkeit der Mikrozensusergebnisse ab dem Berichtsjahr 2016 mit den Vorjahren (vor 2016) teilweise eingeschränkt. Durch eine neue Auswahlgesamtheit im Jahr 2016 ist anzunehmen, dass größere Haushalte und insbesondere Ehepaare mit Kindern im Mikrozensus in ihrem Niveau geringfügig unterrepräsentiert sind. Diese Unterrepräsentation kumuliert über die Jahre, sodass
bei einer Aktualisierung der Auswahl das Niveau wieder angehoben wird. In der Zeitreihe macht sich diese Niveauanpassung durch eine Zunahme der größeren Haushalte sowie von Ehepaaren mit Kindern bemerkbar. Des Weiteren ist zu vermuten, dass mit der Niveauanpassung von Ehepaaren mit Kindern auch eine Zunahme der Erwerbstätigen einhergeht, da Väter eine generell hohe Erwerbsbeteiligung aufweisen. (Statistisches Bundesamt, 2017).

Der Mikrozensus wird zudem seit 2020 mit einem neuen Erhebungskonzept durchgeführt. Eine differenzierte Beurteilung der Entwicklungen wird zusätzlich durch die Corona-Pandemie erschwert, da für 2020 und teilweise auch 2021 viele Indikatoren entweder gar nicht oder nur in eingeschränkt vergleichbarer Qualität vorliegen. Für das Jahr 2020 sind aufgrund der hohen Ausfallquote von 35 % in der Mikrozensusbefragung keine regionalisierten Ergebnisse verfügbar.
Mikrozensus
zeigt deutliche Niveauunterschiede zwischen den Zeitpunkten vor und nach dem Methodenwechsel im Jahr 2020. Die Kinder und Jugendlichen im Ruhrgebiet wachsen am häufigsten in Familien ohne Erwerbstätige auf. Wie auch im Hinblick auf die anderen Risikolagen weisen die süddeutschen Regionen die geringsten Anteile auf. Aber auch im Rheinland und Westfalen lebt ein deutlich kleinerer Anteil der Kinder in Familien ohne Erwerbstätige. In den Ergebnissen spiegelt sich insbesondere die schwierige Arbeitsmarktsituation im Ruhrgebiet wider.

Einen zusätzlichen Effekt hat die relativ geringe Frauenbeschäftigungsquote im Ruhrgebiet. Abbildung 1.18 zeigt die Entwicklung in den Vergleichsregionen. In allen Regionen ist die Beschäftigtenquote von Frauen von 2013 bis 2022 angestiegen.

In den Jahren 2020 und 2021 sind teilweise Einbrüche bei der Beschäftigungsquote zu erkennen. Wanger (2023) führt mehrere mögliche Ursachen für die verringerte Beschäftigung von Frauen in den Pandemiejahren an. Generell zeigt sich, dass insbesondere Frauen 2020 und 2021 den Umfang ihrer Erwerbstätigkeit zugunsten von Betreuungsaufgaben verringerten. Zum anderen überschneidet sich der Zeitraum mit dem Krieg in der Ukraine, in dessen Folge die Arbeitslosenquote von Frauen durch die große Zahl schutzsuchender Ukrainerinnen deutlich anstieg. Im Hinblick auf den Rückgang der Beschäftigungsquoten kommen zudem Brancheneffekte zum Tragen, da einige Branchen mit hoher Frauenbeschäftigung wie das Beherbergungs- und Gaststättengewerbe stärker vom Lockdown betroffen waren (Europäische Kommission, 2021).

Im Ruhrgebiet und den anderen nordrhein-westfälischen Regionen fällt dieser Effekt im Vergleich mit den Metropolregionen relativ schwach aus. Die Quote ist mit 53,5 % im Jahr 2022 aber immer noch die niedrigste von allen hier betrachteten Regionen. Eine Auswertung des Mikrozensus durch Seifert et al. (2019) zeigt, dass die Erwerbs- und Erwerbstätigenquoten von Frauen in Nordrhein-Westfalen unter dem Bundesdurchschnitt und im Vergleich zu anderen Bundesländern am niedrigsten sind. Besonders deutlich wird dies im Vergleich mit dem Saarland und Bremen. Als Hauptgründe für diese geringere Erwerbsneigung werden ein niedrigeres Qualifikationsniveau sowie ein höherer Migrantenanteil identifiziert.

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