Bildungsbericht Ruhr 2024

Rahmenbedingungen

Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler
Sebastian Jeworutzki

1.4. Wirtschaftliche Entwicklung

Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts wird ein detaillierter Blick auf die ökonomischen Rahmenbedingungen in den Metropolregionen geworfen. Dabei spielen neben der Arbeitsproduktivität und der Verteilung der Erwerbstätigen auf verschiedene Wirtschaftssektoren auch die kommunalen Finanzspielräume eine zentrale Rolle.

Abbildung 1.19 zeigt für die Metropolregionen die Bruttoinlandsprodukt (BIP)Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung). Es entspricht der Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche zuzüglich der Gütersteuern und abzüglich der Gütersubventionen. Es liegt auf Kreisebene nur nominal (in jeweiligen Preisen) vor, da es dort derzeit keine Preisindizes zur Deflationierung der Daten gibt.Entwicklung der Arbeitsproduktivität in den Jahren 2013 bis 2022. In allen Regionen kann – wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt – eine positive Entwicklung nach dem Einbruch im ersten Corona-Jahr festgestellt werden. Wie bereits in der Vergangenheit ist die Dynamik im Vergleich der Regionen deutlich unterschiedlich. Die Region München weist, ausgehend von einem bereits hohen Niveau, das stärkste Wachstum auf und liegt im Hinblick auf die Zuwächse mit Ausnahme von Hamburg weit vor den anderen Regionen. Dabei überholt sie auch andere wirtschaftlich starke Regionen wie Stuttgart oder Frankfurt/Rhein/Main. Das Ruhrgebiet belegt mit 72.920 € je Erwerbstätigem im Jahresdurchschnitt weiterhin den vorletzten Platz der Vergleichsregionen.

Die Höhe und zukünftige Entwicklung der Arbeitsproduktivität wird auch durch die Struktur der Betriebe und Unternehmen bestimmt. Ein Indikator für den Stellenwert unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche ist der Anteil der Erwerbstätigen in den unterschiedlichen Sektoren. Abbildung 1.20 zeigt die Verteilung der Anteile der Erwerbstätigen auf die Wirtschaftsbereiche des sekundären und tertiären Sektors in den Vergleichsregionen. Der tertiäre Sektor ist in die Wirtschaftsabteilungen „Handel, Gastgewerbe und Verkehr, Information und Kommunikation“ sowie „übrige Dienstleistungen“ unterteilt.

Zum Vergleich mit den anderen Regionen wird die Erwerbstätigenstatistik auf Basis der Daten des MikrozensusDer Mikrozensus ist die jährliche Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik, bei der ungefähr 1 % der Bevölkerung zu Demografie, Erwerbstätigkeit und Bildung befragt wird. Da es sich beim Mikrozensus um eine repräsentative Zufallsstichprobe handelt, lassen sich die Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung übertragen und erlauben aufgrund der großen Anzahl an Befragten zudem auch regionale Analysen.

Vergleichbarkeit der Angaben aus dem Mikrozensus
Durch Umstellung auf eine neue Stichprobe 2016 ist die Vergleichbarkeit der Mikrozensusergebnisse ab dem Berichtsjahr 2016 mit den Vorjahren (vor 2016) teilweise eingeschränkt. Durch eine neue Auswahlgesamtheit im Jahr 2016 ist anzunehmen, dass größere Haushalte und insbesondere Ehepaare mit Kindern im Mikrozensus in ihrem Niveau geringfügig unterrepräsentiert sind. Diese Unterrepräsentation kumuliert über die Jahre, sodass
bei einer Aktualisierung der Auswahl das Niveau wieder angehoben wird. In der Zeitreihe macht sich diese Niveauanpassung durch eine Zunahme der größeren Haushalte sowie von Ehepaaren mit Kindern bemerkbar. Des Weiteren ist zu vermuten, dass mit der Niveauanpassung von Ehepaaren mit Kindern auch eine Zunahme der Erwerbstätigen einhergeht, da Väter eine generell hohe Erwerbsbeteiligung aufweisen. (Statistisches Bundesamt, 2017).

Der Mikrozensus wird zudem seit 2020 mit einem neuen Erhebungskonzept durchgeführt. Eine differenzierte Beurteilung der Entwicklungen wird zusätzlich durch die Corona-Pandemie erschwert, da für 2020 und teilweise auch 2021 viele Indikatoren entweder gar nicht oder nur in eingeschränkt vergleichbarer Qualität vorliegen. Für das Jahr 2020 sind aufgrund der hohen Ausfallquote von 35 % in der Mikrozensusbefragung keine regionalisierten Ergebnisse verfügbar.
Mikrozensus
herangezogen, dessen Ergebnisse im Zeitvergleich nur eingeschränkt vergleichbar sind. Als erwerbstätig gelten Personen ab 15 Jahren, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, selbstständig ein Gewerbe betreiben oder freiberuflich tätig sind, inklusive Beamten und mithelfender Familienangehöriger. Die Dauer der tatsächlich geleisteten oder vertragsmäßig zu leistenden wöchentlichen Arbeitszeit spielt keine Rolle.

Für das Ruhrgebiet wurde im letzten Bildungsbericht festgestellt, dass in keiner anderen Metropolregion im Zeitraum von 2013 bis 2018 der Anteil Erwerbstätiger im produzierenden Gewerbe so stark gesunken ist wie im Ruhrgebiet. Dieser Trend ist in den Jahren 2021 und 2022 nicht mehr zu beobachten. Der Anteil liegt in diesen Jahren bei ca. 23 % der Erwerbstätigen.

Für die anderen Wirtschaftsbereiche sind deutliche Niveauverschiebungen zwischen den Mikrozensuserhebungen vor und nach 2020 zu erkennen. Während der Anteil im Bereich „Handel, Gastgewerbe und Verkehr, Information und Kommunikation“ in den meisten Vergleichsregionen im Jahr 2022 um 1 bis 1,5 Prozentpunkte sank, stieg der Anteil in den sonstigen Dienstleistungen (Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Grundstücks- und Wohnungswesen, Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen und sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen) im ähnlichen Umfang an. Das Ruhrgebiet weist mittlerweile bei den sonstigen Dienstleistungen einen ähnlich hohen Anteil wie das Rheinland, die Regionen München, Frankfurt/Rhein/Main und Hamburg auf.

Während die Arbeitsproduktivität ein Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit darstellt, spiegelt sie nicht die Finanzspielräume der Kommunen für Investitionen im Bildungsbereich wider. Dazu soll im Folgenden die Verschuldung kommunaler Haushalte in den Regionen als Indikator betrachtet werden. Bei einem Vergleich des Schuldenstands der Kommunen über die Ländergrenzen hinweg ist zu beachten, dass der Kommunalisierungsgrad, also der Anteil der Gesamtausgaben der Länder auf kommunaler Ebene, in den Bundesländern unterschiedlich hoch ist.

Abbildung 1.21 zeigt die durchschnittlichen Schulden der kommunalen Kernhaushalte pro Einwohner*in in Euro für die Vergleichsregionen. Die Schulden der Kernhaushalte umfassen Kassenkredite, mittel- und langfristige Kredite sowie Wertpapierschulden. Den höchsten Schuldenstand weist im Jahr 2022 mit 4.039 € pro Kopf (2018: 4.320 € pro Kopf) das Ruhrgebiet auf. Damit liegt es weit über dem Landeswert für NRW von 2.584 € pro Kopf und um ein Vielfaches höher als die Pro-Kopf-Schulden in den ostdeutschen Bundesländern, die noch geringere Schuldenstände als die Kommunen in Bayern insgesamt aufweisen (1.094 € pro Kopf). Der hohe Schuldenstand der Kommunen im Ruhrgebiet hat verschiedene Ursachen. Von besonderer Bedeutung sind die hohen Ausgaben für Sozialleistungen, die nicht vollumfänglich von Land und Bund übernommen werden, und die vergleichsweise geringen Gewerbesteuereinnahmen der Städte, die 2022 im Ruhrgebiet nur 622 € pro Einwohner*in betragen, während sie im Rheinland mit 961 € und in Westfalen mit 863 € pro Einwohner*in deutlich höher liegen (Vierteljährliche Kassenstatistik, Landesdatenbank NRW).

Die Schulden in der Metropole Ruhr sind seit 2016 rückläufig und bewegen sich mittlerweile unterhalb des Schuldenstandes von 2013. In wenigen Vergleichsregionen stiegen die Schulden der Kernhaushalte leicht (Frankfurt/Rhein/Main und Stuttgart) und in München sogar deutlich an. Der Anstieg in der Region München ist insbesondere auf höhere Neuverschuldung durch eine verstärkte Bautätigkeit in der Daseinsvorsorge (Schulen, Kinderbetreuung, Wohnungsbau, Klimaschutz) (Landeshauptstadt München, 2024) zurückzuführen.

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