Bildungsbericht Ruhr 2020

Allgemeinbildende Schulen

Prof. Dr. Gabriele Bellenberg

3. Allgemeinbildende Schulen

Die Schullandschaft der Metropole Ruhr zeigt sich als eine Bildungsregion mit innerer Kohärenz, aber auch erheblichen Diversitäten. Viele Schüler*innen pendeln tagtäglich in diesem Agglomerationsraum über kommunale Grenzen hinweg zu ihren Schulen. Schulentwicklungsplanung bedarf neben der kommunalen auch einer regionalen Perspektive. Der vorliegende Bildungsbericht zeigt das exemplarisch am Beispiel des Pendelns, die Studie „Wege zur Metropole Ruhr“ hatte es 2017 bereits für den Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I gezeigt (Schräpler et al., 2017).

Die Entwicklung der Schüler*innenzahl verlief in der Metropole Ruhr in den Jahren 2013 bis 2018 durch den Anstieg der Geburtenrate sowie durch verstärkte migrationsbedingte Zuwanderung abweichend von der Erwartung des ersten Bildungsberichts: Knapp 5 % mehr Schüler*innen in den Grundschulen und ein moderater Rückgang in den beiden Sekundarstufen ist die Bilanz bis 2018. Die Reduzierung der Schulstandorte hat vor diesem Hintergrund die pädagogischen Rahmenbedingungen schulischer Bildungsprozesse teilweise verschlechtert.

Häufiger als im Rest von NRW verfügen im Ruhrgebiet Schulen in allen Stufen über herausfordernde Rahmenbedingungen. Ein Phänomen, das stärker in den Städten als in den Kreisen und stärker im mittleren Ruhrgebiet als an seinen Rändern zu finden ist. Indikatoren sind der hohe Anteil an Schulen des Standorttyp 5Schwierige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rahmenbedingungen im Einzugsbereich von Schulen haben über die individuellen Lernvoraussetzungen der Schüler*innen hinaus eine substanzielle Bedeutung für die Erklärung von Leistungsunterschieden zwischen Schulen.

Bedeutsam für diese Rahmenbedingungen sind verschiedene Faktoren im Schulumfeld wie beispielsweise der Anteil der Arbeitslosen, Empfänger*innen von Sozialhilfeleistungen (SGB II) oder der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Einen relevanten Schätzer dafür liefert in NRW das Standorttypenkonzept für den fairen Vergleich bei den Lernstandserhebungen (Isaak, 2011). Seit 2011 erfolgt die Zuordnung der Standorttypen vom Schulministerium zentral für alle weiterführenden Schulen auf Basis von Daten der amtlichen Statistik. Jede Schule wird einem von fünf Standorttypen zugeordnet, die im Unterschied zum bisherigen Konzept nun schulformübergreifend definiert sind. Schulen, die dem Typ 1 zugewiesen wurden, befinden sich in einer Umgebung mit niedrigem Anteil an Empfänger*innen staatlicher Sozialhilfeleistungen, Arbeitslosen beziehungsweise Menschen mit Migrationshintergrund, während sich die Schulstandorte des Typs 5 in einer Lage mit eher schwierigen soziokulturellen Rahmenbedingungen befinden.
Standorttyps 5
, ein überproportionaler Anteil an Schüler*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sowie ein stellenweise geringerer Erfolg bei der Besetzung von Lehrer*innenstellen als im Rest von NRW.

Schulentwicklungsplanung bedarf neben der kommunalen auch einer regionalen Perspektive.

Durch den bereits im Bildungsbericht 2012 beschriebenen fortgesetzten strukturellen Wandel der Schulformangebote in der Metropole Ruhr haben insbesondere die Hauptschulen, abgeschwächt auch die Realschulen einen Rückgang ebenso erfahren wie auch die Förderschulen durch Inklusionsbemühungen. Sekundarschulen haben sich auf niedrigem Niveau etabliert und Gesamtschulen sind ausgebaut worden. Die Schullandschaft mit Ausnahme der Gymnasien hat sich insgesamt verändert und lokal diversifiziert.

Die Marginalisierung der geschrumpften Hauptschulen hat sich weiter fortgesetzt, die meisten Schüler*innen lernen nicht freiwillig auf dieser Schulform. Auch Realschulen geraten durch die Veränderung der Schullandschaft unter Druck, wenngleich nicht in allen Kreisen und Städten. Sekundarschulen haben sich auf niedrigem Niveau in einigen Kommunen und Kreisen etabliert, stellen aber für die Metropole Ruhr insgesamt keine quantitativ bedeutsame Schulform bei der Versorgung der Schüler*innen dar.

Gesamtschulen sind deutlich ausgebaut worden, allerdings nicht entsprechend der Elternwünsche, denn Jahr für Jahr müssen viele Schüler*innen abgewiesen werden, die ihren Bildungsweg nach der Grundschule an der Gesamtschule fortsetzen wollten (Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen [MSB NRW], 2019c). Gleichwohl hat die Bedeutung der Gesamtschulen in der Metropole Ruhr zugenommen: Nach dem Gymnasium (32 %) ist die Gesamtschule (30 %) die von Siebtklässlern am häufigsten besuchte Schulform.

Die Schulstrukturen in den einzelnen Kreisen und Städten sind jenseits dieser allgemeinen Trends sehr unterschiedlich ausgeprägt. Sie stellen jeweils eigene Referenzräume mit individueller Profilierung der Schullandschaft dar.

Zum strukturellen Wandel trägt auch der Rückbau von Förderschulen im Bereich der Grund- und HauptschuleSchüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden überwiegend auf dem Niveau der Grund- oder Hauptschule unterrichtet. Da diese Förderschulen nicht selten schulstufenübergreifend organisiert sind, werden sie zu dieser Kategorie zusammengefasst.Förderschulen (insbesondere mit den Schwerpunkt Lernen) bei, sodass 2018 mehr Kinder mit Schulen für Schüler*innen mit sonderpädagogischem FörderbedarfHierzu zählen alle Schulen, an denen mindestens ein Schüler bzw. eine Schülerin mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet wird.sonderpädagogischem Förderbedarf der Klassenstufen 4 und 5 an allgemeinen Schulen als an Förderschulen lernen.

Berufskollegs/BerufsschulenDie Berufskollegs umfassen ein großes Spektrum verschiedener Bildungsgänge mit unterschiedlicher Zielsetzung bzw. unterschiedlichen Abschlüssen (Fachschule, Fachoberschule, Berufsschule, Berufsfachschule, berufliches Gymnasium), von denen im Kapitel „Berufliche Bildung“ nur einige berücksichtigt werden. Im Einzelnen sind das solche, die der Ausbildungsvorbereitung dienen (BK-Anlage A), sowie solche, die eine Kombination aus beruflicher und schulischer Qualifikation beinhalten und mit zwei Abschlüssen (einem beruflichen und einem schulischen) beendet werden (BK-Anlage B3; BK-Anlage C1).Berufskollegs halten für Schüler*innen am Ende der Sekundarstufe I das größte und breiteste Bildungsangebot bereit. Es ist die Schulform, welche die meisten Abschlüsse im Ruhrgebiet vergibt und über die Berufliche WeiterbildungBerufliche Weiterbildung dient der berufsbegleitenden Qualifizierung auf unterschiedlichen Qualifikationsniveaus. Zunächst soll sie Erwerbspersonen ohne abgeschlossene Berufsausbildung – und möglicherweise auch ohne Schulabschluss – den Abschluss einer Berufsausbildung ermöglichen. Auf dem mittleren Qualifikationssegment dient sie nach abgeschlossener Berufsausbildung und einer Phase der Berufstätigkeit dem vertiefenden Kompetenzerwerb mit dem Ziel einer Meisterprüfung und vergleichbarer Prüfungen auf einem dem Bachelor gleichgestellten Qualifikationsniveau. Für Akademiker*innen dient die berufliche Weiterbildung etwa dem berufsbegleitenden Erwerb eines Masters oder auf dem Master aufbauenden Spezialisierungen auf akademischem Niveau.berufliche Qualifizierung hinaus eine große und zunehmende Bedeutung bei der nachträglichen Vergabe oder Verbesserung von Schulabschlüssen hat.

Bei den Schulabschlüssen ist eine zunehmende Spreizung zu beobachten: Zwar ist eine (Fach-)Hochschulreife in der Metropole Ruhr unverändert der am häufigsten vergebene Abschluss, zugleich aber der Anteil der Hauptschulabschlüsse gestiegen, vor allem der zumeist nachträglich am Berufskolleg erworbenen Hauptschulabschlusses nach Klasse 9.

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