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Bildungsbericht Ruhr 2020

Zusammenfassung


7.8. Übergreifende Handlungsempfehlungen und Ausblick

Der in diesem Bildungsbericht vorgenommene Blick auf das Bildungssystem in der Metropole Ruhr resümiert den Stand vor der Corona-Pandemie, wie er sich anhand der verfügbaren Daten darstellt. Die Entwicklung seit dem letzten Bildungsbericht wirkte insbesondere im Regionenvergleich oftmals ernüchternd. Die Corona-Krise dürfte sich kurz- und mittelfristig verschärfend auf die ohnehin schwierigen Rahmenbedingungen im Ruhrgebiet auswirken: In wachsendem Maße wird deutlich, dass die Auswirkungen der Pandemie Bildungsungleichheiten tendenziell verschärfen.

Das Ruhrgebiet steht damit demografisch, sozial und wirtschaftlich vielleicht vor nochmals größeren Herausforderungen, als sie sich noch 2012 darstellten. Der Bildungsbereich ist von diesen Bedingungen besonders betroffen. Zugleich liegt in der Bildung einer der wichtigsten Schlüssel für die Zukunft der Region. Die nachfolgenden Aspekte sind zentral für die Zukunft der Metropole Ruhr und haben sich (in unterschiedlicher Deutlichkeit) in allen Kapiteln wiedergefunden.

Strukturwandel

Das Rahmenkapitel hat gezeigt, dass der Strukturwandel in der Region von einer (schwer-)industriell geprägten Region hin zu einer wissensorientierten Wirtschaftsstruktur zwar fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen ist. Dieser Wandel stellt immer höhere Ansprüche an die Qualifizierung der Beschäftigten. Der gegenwärtig relativ geringe Anteil an Absolvent*innen mit Fachhochschul- oder Hochschulreife und hoch qualifizierten Kräften sowie die Matchingprobleme auf dem Ausbildungsmarkt stellen Entwicklungshemmnisse für die Wirtschaft des Ruhrgebiets dar. Es müssen also weitere Anstrengungen unternommen werden, um das Qualifikationsniveau in der Bevölkerung insgesamt zu steigern.

Armut und Segregation

Der Anteil an Kindern, die in armen Familien aufwachsen, ist in der Metropole Ruhr besonders hoch und seit 2012 gestiegen. Sie wachsen oftmals in den ehemaligen Arbeitervierteln des Ruhrgebietes auf, wo „soziale Segregation“, „demografische Segregation“ sowie „ethnische Segregation“ besondere Herausforderungen für Bildung, zugleich aber auch zentrale Ansatzpunkte der weiteren Entwicklung darstellen. Hier finden sich auch weniger Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung. Für viele dieser jungen Erwachsenen ist die Frage nach dem richtigen Ausbildungsplatz (Matchingproblem) sowie der Finanzierung einer Hochschulausbildung ein großes Problem.

Diese individuelle und familiäre finanzielle Situation findet zudem ihre Entsprechung auf der Ebene der kommunalen Finanzen, wobei Probleme vielfach aus hohen Sozialausgaben resultieren. Dadurch sind die Spielräume für notwendige Bildungsinvestitionen aus der Region selbst heraus deutlich begrenzt.

Zuwanderung

Die Zuwanderung in den vergangenen Jahren stellt die Bildungseinrichtungen vor umfangreiche Integrationsaufgaben. Das spiegelt sich unter anderem, aber nicht ausschließlich im besonderen Unterstützungsbedarf beim Erwerb der deutschen Sprache wider. Im Bildungsbericht zeigt sich dies konsistent über alle Bildungsphasen hinweg. Besonders wirkungsvoll sind daher übergreifende Ansätze zur Sprachförderung.

Diversität

Die Kinder und jungen Erwachsenen, die das regionale Bildungssystem durchlaufen, kommen aus vielen unterschiedlichen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontexten und bringen deshalb sehr unterschiedliche Voraussetzungen in den Bildungsprozess ein. Deutlich wird das entlang der gesamten Bildungskette, insbesondere aber beim Übergang in die berufliche oder akademische Ausbildung. Langfristig müssen die Bildungsangebote dieser Vielfalt besser gerecht werden. Dafür gilt es Fort- und Weiterbildungsangebote auf- und auszubauen und in dauerhafte Qualitätsentwicklungsprozesse für alle Bildungseinrichtungen der Metropole Ruhr zu integrieren. Zudem sollten Eltern als Erziehungs- und Bildungspartner stärker als Expert*innen ihrer Bildungsprozesse integriert werden – insbesondere in frühkindlicher Bildung und Schule, etwa über den weiteren Ausbau niedrigschwelliger Angebote wie Familienzentren an Grundschulen, Familienhebammen oder dezentrale kommunale Familienbüros. Diversität stellt insgesamt ein großes Potenzial und eine Chance für die Region und ihre Zukunft dar und darf nicht auf die damit in Verbindung stehenden Herausforderungen reduziert werden.

Demografischer Wandel und Fachkräftemangel

Um dem steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften gerecht zu werden, müssen neue Bildungspotenziale sowohl bei den Kindern und Jugendlichen erschlossen werden, sowohl mit Blick auf berufliche und akademische Bildung als auch in der Weiterbildung.

Niedrige Frauenbeschäftigungsquote

Die Frauenbeschäftigungsquote im Ruhrgebiet ist im regionalen Vergleich sehr niedrig. In der Steigerung dieser Quote liegt aber ebenfalls ein großes Potenzial zur Kompensation des Fachkräftemangels sowie zur Weiterentwicklung der regionalen Produktivität. Dazu müssen geeignete Rahmenbedingungen (z. B. Ausbau von Kindertagesbetreuung und Ganztagsschulen, Qualifizierungsmöglichkeiten, bessere Entlohnung etc.) geschaffen und strukturelle Benachteiligungen von Frauen beseitigt werden.

Digitalisierung

Nicht unmittelbar aus den bisherigen Befunden des vorliegenden Berichts abzuleiten, aber dennoch von zentraler Bedeutung wird zudem die Erschließung der Digitalisierungspotenziale im regionalen Bildungssystem sein. Auf der Steuerungsebene erbringen das kommunale und künftig auch das regionale Bildungsmonitoring dafür bereits Leistungen; bei den Bildungseinrichtungen selbst bedarf es jedoch besonderer Anstrengungen, um beispielsweise die flächendeckende Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen, leistungsfähigen Endgeräten sowie IT-Support sicherzustellen. Gekoppelt werden muss das zudem mit umfassenden Unterstützungsleistungen, wie sie beispielsweise durch die Schul- und Unterrichtsentwicklung von RuhrFutur erbracht wird und die es weiter eng mit staatlichen Angeboten zu verknüpfen gilt.

Ausblick

Der vorliegende Bildungsbericht beschreibt große Herausforderungen, denen sich die Region in den kommenden Jahren stellen muss. Bei allem Handlungsdruck muss dabei auch gewürdigt werden, dass hier unter deutlich schwierigeren Bedingungen als in anderen Regionen Deutschlands oftmals ähnlich gute Ergebnisse erzielt wurden. Beispielsweise erfolgte der Ausbau der Kindertagesbetreuung zwischen 2013 und 2018 in ähnlichem Umfang wie in der Region Frankfurt/Rhein/Main, in Stuttgart oder auch in Westfalen – Regionen, die aber einen weniger starken Anstieg der Anzahl von Kindern unter sechs Jahren erlebten und zugleich unter komplett anderen ökonomischen und haushalterischen Bedingungen agieren konnten.

Trotz der schwierigen Ausgangsbedingungen zeigt sich die Metropole Ruhr als sehr dynamische Region, die vor allem in Bezug auf Bildung besondere Potenziale aufweist: eine hohe Dichte an Hochschulen mit einem breiten Angebot an Studiengängen und einer Studierendenzahl, die die Region zu einer bedeutenden Wissenschaftsregion Deutschlands macht, sowie das umfangreiche Angebot an weiterführenden Schulen, Berufskollegs und Ausbildungsbetrieben, das in vielen Fällen bereits individuelle soziale und ökonomische Mobilität durch Bildung real werden lässt. Aus alldem ergeben sich zentrale Ausgangspunkte, um die genannten und künftigen Herausforderungen erfolgreich anzugehen. Insbesondere in Kombination mit dem Bevölkerungswachstum der letzten Jahre verfügt das Ruhrgebiet über Ressourcen, durch die es sich von anderen durch Struktur- und starkem demografischem Wandel geprägten Regionen etwa in Ostdeutschland signifikant unterscheidet.

Ob die Metropole Ruhr diese Potenziale unter den gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen vollends wird erschließen können, ist eine offene Frage, die letztlich politisch entschieden werden muss. Über alle Kapitel hinweg wird deutlich, dass der Anteil von Bildungsteilnehmer*innen aus besonderen herkunftsbedingten Risikolagen in der Region überproportional hoch ist. Diese Faktoren sind für eine auskömmliche, auf Chancengleichheit zielende Bildungsfinanzierung besonders zu berücksichtigen. Der geplante Sozialindex für Schulen bildet sicherlich einen Ansatzpunkt, um „Ungleiches auch ungleich behandeln“ zu können. Doch in den weiteren Bildungsabschnitten sowie in der Stärkung zentraler Strukturen wie den Regionalen Bildungsnetzwerken besteht deutlicher Handlungsbedarf (s. Einleitung). Letztere bilden Knotenpunkte der Weiterentwicklung lokaler Bildungslandschaften, staatlich-kommunaler Zusammenarbeit sowie für das Ausschöpfen der Potenziale regionaler Kooperation, die bereits im ersten Bildungsbericht Ruhr als „enormes Unterstützungssystem“ betrachtet wurde. Die finanziellen Handlungsspielräume der meisten Ruhrgebietskommunen sind eng. Spielräume entstehen aber auch durch eine veränderte Haltung: Seit dem letzten Bildungsbericht Ruhr ist eine Kooperationskultur der Bildungsakteur*innen in der Region gewachsen, die im ersten Bildungsbericht 2012 noch als zentrales Desiderat angesehen wurde.

Im Bildungsbereich ist diese regionale Kooperation der Akteur*innen besonders wichtig – zeigen sich doch hier zahlreiche Verflechtungen zwischen den Kommunen: In welche KiTa oder welche Schule die Kinder im Ruhrgebiet gehen, wird nicht allein innerhalb der Grenzen der eigenen Stadt entschieden, sondern Eltern, Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene nehmen Bildungsangebote aus der ganzen Region wahr. Durch den abgeschlossenen Aufbau einer Bildungsberichterstattung und des regionalen Bildungsmonitorings bestehen nunmehr verbesserte Grundlagen zur Entwicklung und Umsetzung gemeinsamer Strategien und Steuerungsmodelle. Die Metropole Ruhr verfügt damit über ein neuartiges Instrumentarium, das auch im landes- und bundesweiten Vergleich als einzigartig einzustufen ist. Hinzutreten zunehmend kommunen- und hochschulübergreifende regionale Kooperationsaktivitäten. Der vorliegende Bildungsbericht kann dafür selbst als treffendes Beispiel verstanden werden.

Für die weitere Entwicklung von regional kooperierenden Kommunen, Hochschulen und weiteren Akteuren hin zu einer starken Bildungs- und Wissenschaftsregion Ruhr bedarf es [...] noch weiterer Anstrengungen und Ressourcen.

Kooperation – gerade in einer Region der Größe des Ruhrgebiets – ist jedoch voraussetzungsreich und bedarf koordinierender Instanzen, damit sie gelingen kann. Auch dafür lässt sich der Bildungsbericht beispielhaft anführen, für dessen Entstehung RVR und RuhrFutur die regionale Koordination gemeinsam übernommen haben. Für die weitere Entwicklung von regional kooperierenden Kommunen, Hochschulen und weiteren Akteuren hin zu einer starken Bildungs- und Wissenschaftsregion Ruhr bedarf es jedoch noch weiterer Anstrengungen und Ressourcen. In der Summe zeugt der Bericht von den vielfältigen Potenzialen der Region. Eine nochmals umfassendere regionale Kooperation aller an gelingender Bildung beteiligten Akteure ist fraglos eines der wichtigsten dieser Potenziale. Dieses gilt es nun – angesichts der Herausforderungen – noch entschlossener gemeinsam auszuschöpfen.

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