Bildungsbericht Ruhr 2020

Frühe Bildung

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey
Dr. PH Sabine Wadenpohl

2.1. Der Ausbau der Bildungsinfrastruktur

Der Ausbau der Infrastruktur in der frühen Bildung spiegelt sich in der gestiegenen Anzahl an KiTas in fast allen Kommunen der Metropole Ruhr (Abbildung 2.2). Nach Angaben der Kinder- und JugendhilfestatistikIn der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden die entsprechenden Daten immer mit einem Stichtag im März erhoben, während Kindergarten- und Schuljahr jeweils im August beginnen. Die so berechneten Beteiligungsquoten fallen damit tendenziell immer niedriger aus, als dies im August der Fall wäre, wenn ein Teil der Kinder von der KiTa in die Schule gewechselt und der nächste Altersjahrgang in die Kindertagesbetreuung nachgerückt ist. Zum gleichen Zeitpunkt wechseln häufig Dreijährige von der Kindertagespflege in die KiTa. Für unter Dreijährige bedeutet das, dass die Gesamtbeteiligungsquote im März geringer ausfällt als bei einer Berechnung im August; für Drei- bis unter Sechsjährige ergibt sich eine höhere Quote für die Tagespflege und eine geringere für die KiTa. Zu beachten ist außerdem, dass Sechsjährige, die noch nicht in die Schule gehen, bei der Berechnung der Quoten nicht erfasst werden. Da Kinder kurz vor dem Schuleintritt besonders häufig eine KiTa besuchen, entsteht auch dadurch eine (wenn auch marginale) Verringerung der Quote. Die auf der Basis der Jugendhilfestatistik berechneten Quoten haben demnach nur eine begrenzte Aussagekraft im Hinblick auf die Bedarfsdeckung, können aber genutzt werden, um Entwicklungen zu identifizieren und zu vergleichen.

Bezüglich der Anzahl der Kindertageseinrichtungen weist die Kinder- und Jugendhilfe jene Einrichtungen aus, die zum Stichtag in Betrieb waren. Dabei ist zu unterscheiden zwischen KiTa-Standorten und Einrichtungen. Eine Einrichtung kann mehrere Standorte haben, bekommt aber nur eine KiTa-Nr. zugewiesen; auch die statistische Erfassung läuft nur über die eine KiTa-Nr. Möglicherweise liegt hier eine Erklärung dafür, dass die Zahlen in der Kinder- und Jugendhilfestatistik den tatsächlichen Stand offenbar unterschätzen. In den von den Kommunen in der Regel herangezogenen Daten aus dem KiBiz-Web können auch Einrichtungen aufgenommen werden, die im folgenden KiTa-Jahr den Betrieb aufnehmen. Deshalb kann es hier zu einer leichten Überschätzung der KiTa-Zahlen kommen.
Kinder- und Jugendhilfestatistik
*Das vorliegende Kapitel greift fast ausschließlich auf die Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik zurück. Nicht nur die Verfügbarkeit und Amtlichkeit der Daten waren für diese Wahl ausschlaggebend, sondern auch der Vergleich der Metropole Ruhr mit anderen Regionen in Deutschland. Die Kommunen greifen in der Regel auf Daten im Rahmen des Kinderbildungsgesetzes NRW (KiBiz-Daten) zurück sowie in Bezug auf die Bevölkerungszahlen auf kommunale Einwohnermeldedaten. Dadurch kann es vereinzelt zu starken Abweichungen zwischen den hier berichteten und den kommunalen Daten kommen. gibt es hier im Jahr 2019 insgesamt 2.541 KiTas; 2013 waren es 2.392. Im Vergleich zu den 2.452 Einrichtungen im Jahr 2010, die im Bildungsbericht von 2012 vermerkt sind (vgl. Regionalverband Ruhr, 2012, S. 56), sank die Anzahl zunächst und stieg – nach dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs für unter Dreijährige 2013 – in fast allen Kommunen des Ruhrgebietes.

Strukturelle Veränderungen in der KiTa-Landschaft

Der Platzausbau ist nicht nur durch die Gründung neuer KiTas erfolgt, sondern – neben dem gleichzeitigen Ausbau der Kindertagespflege, auf die im Kontext der Bildungsbeteiligung noch eingegangen wird – nicht zuletzt durch den Trend hin zu größeren Einrichtungen (Abbildung 2.3). Dieser Trend ist bundesweit zu beobachten, wobei in Nordrhein-Westfalen die durchschnittliche Größe der Einrichtungen geringfügig über dem Bundesdurchschnitt liegt (vgl. Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2019, S. 63).

Innerhalb von Nordrhein-Westfalen zeigt sich zum einen, dass der Anteil größerer Einrichtungen in der Metropole Ruhr traditionell höher ist als im Landesdurchschnitt (vgl. Regionalverband Ruhr, 2012a, S. 56), zum anderen ist ein deutlicher Zuwachs des Anteils größerer Einrichtungen zu beobachten. Höhere Anteile an großen Einrichtungen gibt es NRW-weit vor allem in kreisfreien Städten und dies insbesondere im Ruhrgebiet. So liegt der Anteil an sehr großen KiTas – also an Einrichtungen mit mehr als 100 Kindern – in den kreisfreien Städten des Ruhrgebiets bei durchschnittlich 10,4 %. In Gelsenkirchen und Oberhausen beträgt er jeweils 19,5 %. Nach Angaben der Stadt Duisburg beträgt der dort sogar 26,6 % (gegenüber 19,1 % 2013). Hier zeigt sich, dass die Kommunen unterschiedliche Ausbaustrategien verfolgen und teils eher Einrichtungen vergrößern, teils eher neu gründen.

Hinzu kommen Veränderungen bei der Organisation der Kindertagesbetreuung. Die Verantwortung für die Bereitstellung von Plätzen liegt beim jeweiligen örtlichen Jugendamt.*Jugendämter sind angesiedelt bei kreisangehörigen Kommunen und Kreisen sowie bei größeren kreisangehörigen Kommunen (wobei im Ruhrgebiet die Besonderheit besteht, dass es in den Kreisen Ennepe-Ruhr und Recklinghausen kein Kreisjugendamt gibt). Die Zahlen der vier Kreise im Ruhrgebiet, die in diesem Kapitel dargestellt werden, setzen sich demnach zusammen aus den Zahlen der einzelnen kreisangehörigen Kommunen und ggf. des Kreisjugendamtes. Eine interkommunale Differenzierung innerhalb der Kreise hätte den Rahmen dieses Kapitels gesprengt. Die KiTa-Landschaft ist durch ein breites Trägerspektrum gekennzeichnet; gemäß dem im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankerten Subsidiaritätsprinzip spielen freie Träger eine große Rolle. Gut drei Viertel der KiTas – im Ruhrgebiet ebenso wie im Landesdurchschnitt – befinden sich in freier Trägerschaft; Träger sind vor allem die beiden christlichen Kirchen und ihre Verbände, des Weiteren bspw. die Arbeiterwohlfahrt und das Deutsche Rote Kreuz, Vereine, Elterninitiativen und vereinzelt auch gemeinnützige oder auch gewerbliche GmbHs. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kommunen (Abbildung 2.4). Insgesamt ist der Anteil von Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft seit 2013 leicht gesunken. Die KiTa-Landschaften sind sehr unterschiedlich strukturiert – die Anteile öffentlicher Träger liegen 2019 zwischen 5,9 % in Hamm und 58,5 % in Gelsenkirchen, wo seit 2013 sogar ein weiterer Anstieg festzustellen ist. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass der Ausbau die Trägerstrukturen in den meisten Fällen nicht verändert hat.

Jedoch gibt es strukturelle Veränderungen in der Organisation der KiTa-Landschaft, die anhand der einrichtungsbezogenen Zahlen nicht erkennbar sind (vgl. Klaudy et al., 2016, S. 14 f.): KiTas wurden in den letzten Jahren vielfach in kommunalen Eigenbetrieben oder in Zweckverbänden freier Träger zusammengefasst, sodass inzwischen viele Einrichtungen in größere organisatorische Zusammenhänge eingebunden sind.

Der Trend hin zu professionell gesteuerten großen Organisationen ist somit wesentlich bedeutsamer, als dies anhand der Einrichtungsgrößen erkennbar ist. Hinzu kommt eine qualitative Weiterentwicklung, verbunden mit einer Ausweitung des Funktionsspektrums von Kindertageseinrichtungen: Seit 2006 werden viele KiTas in Nordrhein-Westfalen nach und nach zu Familienzentren weiterentwickelt und bieten Familien im Sozialraum ein niederschwelliges Angebot an Familienbildung und -beratung. Hinzu kommt seit 2011 eine zusätzliche Förderung von Einrichtungen mit einem hohen Anteil an Kindern mit ungünstigen Startbedingungen (plusKITAs). Die Jugendämter in den einzelnen Kommunen – sowohl im Ruhrgebiet als auch NRW-weit – nutzen diese Landesprogramme in unterschiedlicher Weise, um, anknüpfend an die Institutionen früher Bildung, eine lokale Präventionspolitik auszubauen (vgl. Stöbe-Blossey et al., 2020).

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