Bildungsbericht Ruhr 2020

Hochschule

Prof. Dr. Uwe Wilkesmann
Dr. Sabine Lauer

5. Hochschule

Die Hochschullandschaft der Metropole Ruhr ist mittlerweile die dichteste in Europa und trägt maßgeblich zum Wandel von „der Industrieregion zur Wissensregion“ (Bogumil & Heinze, 2019) bei. Dennoch müssen die Hochschulen in der Metropole Ruhr besondere Herausforderungen bewältigen, die sich von anderen Regionen in Deutschland unterscheiden.

Diese besonderen Herausforderungen liegen vor allem an der Ausgangslage vieler Student*innen in der Metropole Ruhr, mit der die Hochschulen in dieser Region umgehen müssen. Ein ausgewählter Regionenvergleich (Berlin, München und Stuttgart) mit den Daten der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks (Middendorff et al., 2017) zeigt, dass die Metropole Ruhr mit nur 46,5 % einen unterdurchschnittlichen Anteil an Student*innen aus akademischen Haushalten verzeichnet (d. h. vergleichsweise viele Student*innen in der Metropole Ruhr sind First Generation Academics). Ebenso geben 4,8 % der Student*innen an, dass sie in einem Haushalt wohnen, in dem nicht deutsch gesprochen wird. Mit einem Anteil von 6,7 % studieren überdurchschnittlich viele Student*innen de facto im Teilzeitmodus, obwohl sie eigentlich ein Vollzeitstudium verfolgen. Auch der Anteil an regulären Teilzeitstudent*innen ist in der Metropole Ruhr mit 3,2 % am höchsten. Darüber hinaus ergibt sich im regionalen Vergleich, dass 32,2 % der Student*innen aus der Metropole Ruhr überdurchschnittlich viel Zeit für eine Erwerbstätigkeit aufwenden müssen, wobei der Anteil der BAföG-Empfänger*innen mit 16,5 % unter dem Bundesdurchschnitt liegt (Abbildung 5.1). In einer Studie von RuhrFutur (2018) zum Studienverlauf konnte gezeigt werden, dass ein erhöhter zeitlicher Aufwand für die Erwerbstätigkeit während der Vorlesungszeit sowie ein MigrationshintergrundDie Angaben zum Migrationshintergrund stammen aus dem Grundprogramm des Mikrozensus: „Als Person mit Migrationshintergrund gilt, wer nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt oder außerhalb des heutigen Gebietes der Bundesrepublik Deutschland geboren wurde und seit dem 1. Januar 1950 zugewandert ist oder wer mindestens ein zugewandertes Elternteil hat.“ Informationen zum Migrationshintergrund der Bevölkerung stehen erst ab dem Jahr 2016 zur Verfügung. In der Kommunalstatistik werden z. T. leicht davon abweichende Definitionen verwendet, um den Migrationshintergrund mithilfe der Angaben im Melderegister bestimmen zu können.

In der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden bei Kindern die Merkmale „Migrationshintergrund“ und „Familiensprache“ erfasst. Der Migrationshintergrund eines Kindes wird anhand der ausländischen Herkunft mindestens eines Elternteils definiert. Die unterschiedlichen Datenquellen (IT. NRW, Gemeindedatensatz, Statistik der BA), die im Kapitel „Berufliche Bildung“ verwendet werden, definieren die Gruppe derjenigen, die nicht der Gruppe der Deutschen zugerechnet werden können, unterschiedlich. Das führt zu einer eingeschränkten Vergleichbarkeit der Daten.
Migrationshintergrund
mit einem Verzug im Studienverlaufsplan bei Bachelorstudent*innen einhergehen, wohingegen die Bildungsherkunft keinerlei Einfluss ausübt.

Die empirische Evidenz zeigt somit, dass das Student*innenklientel in der Metropole Ruhr diverser ist als in den zum Vergleich herangezogenen Metropolregionen. Aufgrund dieser Diversität ist die Ausgangslage der Hochschulen in der Metropole Ruhr besonders herausfordernd. Eine weitere Herausforderung besteht in der schlechten Betreuungsrelation zwischen Professor*innen und Student*innen an den Hochschulen, insbesondere an den Universitäten der Metropole Ruhr.

Nicht nur die Student*innen in der Metropole Ruhr sind divers, sondern ebenso die Zugangswege zu den Hochschulen. In diesem Kapitel werden deshalb drei Diversitätsmerkmale besonders herausgegriffen: Geschlecht, Nationalität und Zugangswege zur Hochschule. Dabei zeigt sich, dass die Hochschulen in der Metropole Ruhr einen hohen Anteil der Student*innen trotz der herausfordernden Ausgangsbedingungen zu einem Abschluss bringen.

Im Folgenden wird die Metropole Ruhr mit den anderen Regionen Nordrhein-Westfalens verglichen, dem Rheinland und Westfalen. Zusätzlich wird – wie bei den einleitenden Analysen aus der 21. Sozialerhebung – die Metropole Ruhr mit den Regionen Berlin, München und Stuttgart in Relation gesetzt.

Das Hochschulkapitel verfolgt den Weg der Student*innen durch die Hochschulen und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf die Merkmale Geschlecht und Nationalität. Die Bildungsbiografie der Student*innen wird über die Schulform, in der die HochschulreifeDie Qualifikation für einen universitären Studiengang wird durch ein Zeugnis der Hochschulreife (allgemeine Hochschulreife oder fachgebundene Hochschulreife) nachgewiesen. Die allgemeine Hochschulreife berechtigt uneingeschränkt zum Studium an Universitäten und Fachhochschulen. Ein Zeugnis der fachgebundenen Hochschulreife berechtigt außer zum Studium an Fachhochschulen auch zum Studium bestimmter Fächer an Universitäten. Die Qualifikation für das Studium an Fachhochschulen kann auch durch ein Zeugnis der Fachhochschulreife nachgewiesen werden. Die Hochschulreife und die Fachhochschulreife können durch verschiedene Bildungsgänge erworben werden.Hochschulzugangsberechtigung (HZB) erworben wurde, den Einstieg ins Studium bis zum Studienabschluss nachgezeichnet. Zunächst werden die Ausgangsbedingungen der Hochschullandschaft der Metropole Ruhr skizziert.

Zur Methode

Zur Methode

In diesem Kapitel werden Daten der Statistischen Landesämter aus NRW (IT.NRW), Berlin, Bayern, Baden-Württemberg und des Statistischen Bundesamtes (Destatis) verwendet. Die direkte Vergleichbarkeit der Daten ist nicht immer vollständig gegeben. Zum einen berechnen die Landesämter die Studienberechtigtenquote und die Studienanfänger*innenquote unterschiedlich, zum anderen werden in NRW die Schulabgänge mit dem schulischen Teil der Fachhochschulreife einberechnet, wohingegen Destatis diese Gruppe herausselektiert. Zudem ist die Betreuungsrelation nicht ohne Weiteres vergleichbar, da Destatis bei der Anzahl der Student*innen auch die Nebenhörer*innen mitzählt, während diese z. B. von IT.NRW nicht mitgezählt werden. Destatis und IT.NRW erfassen die Anzahl der Professor*innen und des wissenschaftlichen Personals unterschiedlich, daher wurden die Betreuungsrelationen an den Universitäten in staatlicher Trägerschaft für die Professor*innen nach Köpfen (diese Zahlen sind bei Destatis und IT.NRW deckungsgleich) und für das wissenschaftliche und künstlerische Personal nach Vollzeitäquivalenten (VZÄ) berechnet, um sie vergleichbar zu machen. Ebenso hat sich aufgrund des Statistikgesetzes vom 2. März 2016 in NRW die Zuordnung bei der Zählung von Student*innen geändert. Da der Bildungsbericht Ruhr fortgeschrieben werden soll, sind nur solche Vergleichsdaten verwendet worden, die auch künftig in vergleichbarer Qualität zur Verfügung stehen werden.

In der Hochschulforschung existieren mittlerweile viele Befragungsdatensätze von sehr guter Qualität (vgl. Wilkesmann, 2019). Aus diesem Pool sind in diesem Kapitel die Daten der 21. Sozialerhebung verwendet worden, da aufgrund der sehr großen Stichprobe auch genügend hohe Fallzahlen der Metropole Ruhr vorliegen und ein Vergleich mit den anderen Metropolregionen sowie dem Bundesdurchschnitt möglich ist. Die Auswahl der Vergleichsregionen Berlin, München und Stuttgart begründet sich über die Arbeitslosenquote (Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutschland [IKM], o. J.-a) und das Durchschnittseinkommen (IKM, o. J.-b; RVR, o. J.). Beide Indikatoren sind bei der Metropole Ruhr und der Region Berlin etwa gleich. Die Regionen München und Stuttgart stehen bei diesen Indikatoren deutlich besser da als die Metropole Ruhr.

Als weiterer Befragungsdatensatz wurde die Erhebung der Student*innen im fünften Bachelorsemester aus den sieben RuhrFutur-Hochschulen ausgewertet, die eine detaillierte Datengrundlage für die Student*innen in der Metropole Ruhr darstellt (RuhrFutur, 2018). Der Auswertung liegen die im WS 2016/17, WS 2017/18 und WS 2019/2020 durchgeführten Erhebungen zugrunde.

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