Bildungsbericht Ruhr 2020

Weiterbildung

Prof. Dr. em. Horst Weishaupt

Verstärktes betriebliches Engagement bei Inanspruchnahme von Bildungsschecks

Das Förderprogramm „BildungsscheckMit dem Programm übernimmt das Land Nordrhein-Westfalen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Hälfte die Kosten beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen bis höchstens 500 €. Im sogenannten „individuellen Zugang“ erhalten diese finanzielle Unterstützung Einzelpersonen mit kleinem und mittlerem Einkommen (zwischen 20.000 und 40.000 € Jahreseinkommen, im Besonderen Beschäftigte, Berufsrückkehrende und Selbstständige), die an einer beruflichen Weiterbildung teilnehmen möchten und sie selbst finanzieren. Im sogenannten „betrieblichen Zugang“ können Unternehmen eine finanzielle Unterstützung erhalten, die ihren Beschäftigten eine berufliche Weiterbildung ermöglichen möchten. Der Ausgabe von Bildungsschecks ist eine obligatorische Beratung in den zahlreichen Beratungseinrichtungen vorangestellt, um den Weiterbildungsbedarf zu ermitteln und passende Angebote ausfindig zu machen. Der Bildungsscheck verfolgt das Ziel, Personen dabei zu unterstützen, ihre Beschäftigungsfähigkeit durch lebensbegleitendes Lernen zu verbessern. Gleichzeitig trägt er dazu bei, dass Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch gut qualifizierte Beschäftigte stärken können.Bildungsscheck“ gibt es seit 2006 in Nordrhein-Westfalen.*Wir danken der G.I.B. – Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH für die Bereitstellung der hier verwendeten Daten zum Bildungsscheck in Nordrhein-Westfalen. Während in den ersten fünf Jahren von 2006 bis 2010 allein in der Metropole Ruhr rund 93.000 Bildungsschecks ausgegeben wurden (Regionalverband Ruhr, 2012, S. 135), waren es im Zeitraum von 2015 bis 2019 nur noch etwa 31.000 und in ganz Nordrhein-Westfalen 119.000. Die Zahl der Bildungsschecks je 1.000 Einwohner*innen zwischen 18 und 64 Jahren betrug im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 in der Metropole Ruhr 1,94, im Rheinland 1,82, in Westfalen 2,77 und in Nordrhein-Westfalen insgesamt 2,12. Die Metropole Ruhr ist bei der Inanspruchnahme der Bildungsschecks weniger benachteiligt als in den ersten Jahren der Vergabe.

Die Entwicklung der Zahl der Bildungsschecks war von 2015 bis 2017 rückläufig und hat bis 2019 über das Niveau von 2015 hinaus wieder zugenommen (Abbildung 6.21). Damit verbunden war auch eine Zunahme der Zahl der ausgegebenen Bildungsschecks je Beratung von 1,23 im Jahr 2017 auf 1,44 im Jahr 2019, was auf ein verstärktes betriebliches Engagement bei den Bemühungen um Bildungsschecks schließen lässt.

Innerhalb der Metropole Ruhr gibt es zwischen den Städten und Kreisen große Unterschiede bei der Anzahl der ausgegebenen Bildungsschecks je 1.000 Einwohner*innen (Abbildung 6.22). Die niedrigste Inanspruchnahme hat Bottrop mit 0,3 Bildungsschecks, die höchste Hagen mit 3,67. Diese erheblichen Unterschiede sind vor allem auf Unterschiede in den betrieblichen Bemühungen um Bildungsschecks zurückzuführen. Nur in Mülheim a. d. Ruhr und Bottrop liegt auch die individuelle Nachfrage weit unter dem Durchschnitt der Metropole Ruhr. Bei der Ausgabe an die Betriebe übernehmen auch sie die ergänzende Finanzierung der Kurskosten, während bei der individuellen Antragstellung die nicht erstatteten Kursgebühren von den Teilnehmer*innen selbst getragen werden müssen. Im NRW-Vergleich zeigt sich eine etwas günstigere Situation in der Metropole Ruhr als im Rheinland. Beide Regionen werden aber bei der Inanspruchnahme der Bildungsschecks von Westfalen deutlich übertroffen.

Bei der Betrachtung der eingesetzten Fördermittel je Einwohner*in und des betrieblichen und individuellen Eigenanteils an den insgesamt eingesetzten Mitteln zeigen sich ähnliche regionale Disparitäten (Abbildung 6.23). Nicht nur die eingesetzten Fördermittel unterscheiden sich erheblich zwischen den Regionen, sondern auch die von den Betrieben eingesetzten Mittel für die Fortbildung. Sie schwanken zwischen den Städten und Kreisen des Ruhrgebiets je Einwohner*in in der Summe der Jahre 2013 bis 2018 zwischen 0,84 € und 8,83 €. Auch die individuell aufgewendeten Mittel reichen von 0,87 € bis 5,25 €. Insgesamt sind die individuellen Eigenanteile an der Finanzierung der Bildungsgutscheine in der Metropole Ruhr mit 3,81 € im Vergleich zum Rheinland (4,40 €) und Westfalen (4,72 €) am niedrigsten, was auch mit 5,37 € zu den niedrigsten Fördermitteln im Regionenvergleich führt.

Nach wie vor nehmen Frauen Bildungsschecks häufiger in Anspruch (Regionalverband Ruhr, 2012, S. 135). In dem beobachteten Zeitraum gingen zwei Drittel der Bildungsschecks an Frauen.

Noch immer erhalten sie häufiger Bildungsschecks über den individuellen Zugang – mit der Konsequenz privater Zuzahlung. Der Anteil der Frauen beim individuellen Zugang ist von 71,1 % im Zeitraum 2006 bis 2010 auf 75,9 % 2015 bis 2019 gestiegen. Bei den Männern reduzierte sich der individuelle Zugang von 28,9 % auf 24,1 %. Zwischen den Regionen gibt es kaum Unterschiede in der Bildungsscheckvergabe nach Geschlecht. Einen Bildungsscheck haben 22,7 % der Personen mit MigrationshintergrundDie Angaben zum Migrationshintergrund stammen aus dem Grundprogramm des Mikrozensus: „Als Person mit Migrationshintergrund gilt, wer nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt oder außerhalb des heutigen Gebietes der Bundesrepublik Deutschland geboren wurde und seit dem 1. Januar 1950 zugewandert ist oder wer mindestens ein zugewandertes Elternteil hat.“ Informationen zum Migrationshintergrund der Bevölkerung stehen erst ab dem Jahr 2016 zur Verfügung. In der Kommunalstatistik werden z. T. leicht davon abweichende Definitionen verwendet, um den Migrationshintergrund mithilfe der Angaben im Melderegister bestimmen zu können.

In der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden bei Kindern die Merkmale „Migrationshintergrund“ und „Familiensprache“ erfasst. Der Migrationshintergrund eines Kindes wird anhand der ausländischen Herkunft mindestens eines Elternteils definiert. Die unterschiedlichen Datenquellen (IT. NRW, Gemeindedatensatz, Statistik der BA), die im Kapitel „Berufliche Bildung“ verwendet werden, definieren die Gruppe derjenigen, die nicht der Gruppe der Deutschen zugerechnet werden können, unterschiedlich. Das führt zu einer eingeschränkten Vergleichbarkeit der Daten.
Migrationshintergrund
erhalten, obwohl sie 31 % der Bevölkerung ausmachen. Insgesamt wurden 30,6 % der Bildungsschecks in Nordrhein-Westfalen über einen individuellen Zugang vergeben.

Die Vergabe der Bildungsschecks nach Fachgebieten (Abbildung 6.24) hat sich gegenüber der Situation in den Anfangsjahren zwischen 2015 und 2019 verstärkt auf den Bereich der sozialen und pflegerischen Berufe verlagert: von 28 % auf 45 % aller Bildungsschecks. Vor allem die Bereiche EDV und Informationstechnologie und Sprachen haben an Bedeutung verloren.

Zwischen den Regionen lassen sich nur geringe Unterschiede beim Anteil der Fachgebiete beobachten. Abbildung 6.24 zeigt, dass vor allem das Fachgebiet Soziale und pflegerische Berufe mit 36,9 % einen überdurchschnittlich hohen Anteil individueller Komplementärfinanzierungen aufweist, während bei den gewerblichen und informationstechnischen Berufen dieser Anteil deutlich unter 20 % liegt.

Mit durchschnittlich jährlich bereitgestellten öffentlichen Mitteln von 13,5 Mio. € – und damit etwa einem Euro je Einwohner*in im Erwerbsalter – ist das Bildungsscheckprogramm finanziell spärlich ausgestattet. Das daneben bestehende Bundesprogramm nach dem Aufstiegs-BAföG – auf Grundlage des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) – förderte 2018 nur 26.583 Personen in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu 22.504 ausgegebenen Bildungsschecks. Doch standen für dieses Förderprogramm 97,8 Mio. € zur Verfügung (Statistisches Bundesamt 2019, Tab. 2.11) und damit die siebenfache Fördersumme.

Privatwirtschaftliche und betriebliche Weiterbildung

Differenzierte aktuelle Informationen über die privatwirtschaftlichen Weiterbildungsanbieter in der Metropole Ruhr standen nicht zur Verfügung. Aus diesem Grund kann im Rahmen dieses Bildungsberichtes keine Darstellung des Sektors erfolgen.

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