Bildungsbericht Ruhr 2020

Rahmenbedingungen

Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler
Sebastian Jeworutzki

1.4. Wirtschaftliche Entwicklung

Regional unterschiedliche Dynamik bei der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts je erwerbstätiger Person

Die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen ist eng verknüpft mit der sozialen Lage in den Kommunen und beeinflusst in vielerlei Hinsicht den Handlungsspielraum der Kommunen als Träger der verschiedenen Bildungsinstitutionen.

Zur Darstellung der regionalen Wirtschaftsentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit einer Region wird zumeist die Arbeitsproduktivität herangezogen. Die Arbeitsproduktivität ergibt sich aus dem Quotienten des Bruttoinlandsprodukt (BIP)Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung). Es entspricht der Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche zuzüglich der Gütersteuern und abzüglich der Gütersubventionen. Es liegt auf Kreisebene nur nominal (in jeweiligen Preisen) vor, da es dort derzeit keine Preisindizes zur Deflationierung der Daten gibt.Bruttoinlandsprodukts und der Erwerbstätigenzahl. Im Rahmen einer regionalen Betrachtung ist neben der Analyse von Niveauunterschieden vor allem auch die Frage relevant, inwieweit die im Fokus stehenden Regionen sich im Zeitverlauf annähern oder eher auseinanderdriften.

Abbildung 1.17 zeigt für die Regionen die Entwicklung der Arbeitsproduktivität in den Jahren 2013 bis 2017. In allen Regionen entwickelte sie sich positiv. Allerdings sind die Unterschiede im Niveau als auch im Zuwachs erheblich. Die Region München weist im Jahr 2017 mit einer Wirtschaftsleistung von 100.717 € je erwerbstätiger Person den mit Abstand größten Wert auf während das Ruhrgebiet mit 67.721 € den vorletzten Platz der Vergleichsregionen belegt.

Ein Blick auf die Dynamik der Entwicklungen zeigt offensichtlich ein Auseinanderdriften der Regionen. Berlin lag im Jahr 2013 noch erkennbar hinter dem Ruhrgebiet (61.375 € bzw. 63.492 €). Während in Berlin dann die Arbeitsproduktivität bis 2017 um 13,04 % zulegen konnte, hatte das Ruhrgebiet mit nur 6,7 % den niedrigsten Zuwachs aller hier betrachteten Regionen zu verzeichnen. Erkennbar ist auch, dass das BIP pro erwerbstätiger Person im Ruhrgebiet sich zwischen 2014 und 2016 deutlich langsamer entwickelte und es erst danach wieder an die allgemeine positive Entwicklung der anderen Regionen anknüpfen konnte.

Finanzieller Handlungsspielraum der öffentlichen Haushalte deutlich eingeschränkt

Eine starke Verschuldung kommunaler Haushalte führt i. d. R. dazu, dass weniger Mittel für die Bildung zur Verfügung stehen und notwendige Investitionen gar nicht oder nur erst spät erfolgen. In vielen Kommunen in Deutschland ist die finanzielle Handlungsfähigkeit aufgrund der Höhe der Verschuldung – insbesondere der hohen Kassenkredite – stark eingeschränkt. Bei einem Vergleich des Schuldenstands der Kommunen über die Ländergrenzen hinweg ist zu beachten, dass die Aussagekraft begrenzt ist: Der Kommunalisierungsgrad, also der Anteil der Gesamtausgaben der Länder auf kommunaler Ebene, ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich hoch. Mit der Verlagerung von Aufgaben von der landes- auf die kommunale Ebene geht auch eine landesspezifische Aufteilung der Einnahmen und Ausgaben sowie des Schuldenstands zwischen Land und Kommune einher (Statistisches Bundesamt, 2018).

Abbildung 1.18 zeigt die durchschnittlichen Schulden der kommunalen Kernhaushalte pro Einwohner*in in Euro für die Vergleichsregionen. Die Schulden der Kernhaushalte umfassen Kassenkredite, mittel- und langfristige Kredite sowie Wertpapierschulden. Den höchsten Schuldenstand weist im Jahr 2018 mit 4.320 € pro Kopf das Ruhrgebiet auf; er war allerdings seit 2016 rückläufig und 2018 etwa wieder auf dem Wert von 2013.*Die kommunale Finanzsituation ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus exogenen (strukturellen und rechtlichen) Rahmenbedingungen mit endogenen Voraussetzungen und Entscheidungen innerhalb einer Gemeinde. Die teilweise sehr hohen Schulden der Ruhrgebietsstädte sind u. a. Resultat des strukturellen Wandels und den damit verbundenen sinkenden Einnahmen und stark gestiegenen Sozialausgaben, die diese Städte aufbringen müssen (Bertelsmann Stiftung, 2019, S. 19).

Der positive Trend der letzten zwei Jahre lässt sich angesichts der dramatischen Steuerrückgänge und hohen Ausgaben der Kommunen im Rahmen der Corona-Krise 2020 aller Voraussicht nach nicht fortschreiben. Einnahmerückgänge gibt es bei der Einkommenssteuer, den KiTa-Beiträgen, Museen, Theatern und Schwimmbädern. Mit Mehrausgaben haben vor allem die Gesundheitsämter, Ordnungsbehörden und Schulen zu rechnen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert daher in einem Papier einen Bund-Länder-Finanzierungsfonds „Sicherung der Kommunalfinanzen in der Corona-Krise“, der in der Grundausstattung leistungsstark eingerichtet und der zukünftigen Entwicklung dynamisch angepasst werden kann (Deutscher Städte- und Gemeindebund, 2020).

Einige Bundesländer haben zudem neue Programme zur Unterstützung überschuldeter Kommunen aufgelegt. Ein Beispiel dafür sind die Konsolidierungshilfen in Hessen. Der deutliche Schuldenrückgang der Region Frankfurt/Rhein/Main geht auf die Hessenkasse zurück. Darüber wurden 179 hessische Kommunen mit insgesamt fast fünf Milliarden Euro an kommunalen Kassenkrediten entschuldet. Damit werden die Lasten der Vergangenheit von Landkreisen, Städten und Gemeinden getilgt und den Kommunen ein finanzieller Neustart ermöglicht (Hessisches Ministerium der Finanzen, 2018).

Im September 2019 hat die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ein neues Programm zum Abbau kommunaler Altschulden angekündigt. Es soll jedoch erst konkretisiert werden, wenn der Bund erklärt hat, wie er sich bei den kommunalen Altschulden finanziell einbringt.

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