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Bildungsbericht Ruhr 2020

Rahmenbedingungen

Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler
Sebastian Jeworutzki

Hohe SGB-II-Quoten der unter 15-Jährigen in den großen Städten der Metropole Ruhr

Der Blick auf die finanzielle Situation der Familien zeigt, dass Kinder und Jugendliche unter ganz verschiedenen ökonomischen Rahmenbedingungen aufwachsen. Im Folgenden soll die soziale Situation der unter 15-Jährigen genauer in den Fokus genommen werden. Als guter Indikator für Kinderarmut gilt die Quote der unter 15-Jährigen in Bedarfsgemeinschaften nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). In Abbildung 1.13 ist die Verteilung der durchschnittlichen SGB-II-Quote der unter 15-Jährigen auf Kreisebene dargestellt. Erkennbar ist, dass 2018 insbesondere die großen Ruhrgebietsstädte Duisburg (29,9 %), Essen (33,7 %) und Dortmund (29,7 %) sehr hohe Quoten aufweisen. Die Stadt Gelsenkirchen kommt mit 40,4 % auf die höchste Quote bundesweit, gefolgt von Bremerhaven mit 33,8 %.

Die räumliche Verteilung entspricht weitestgehend der Arbeitslosenquote. Die höchsten Arbeitslosenquoten finden sich im Ruhrgebiet. Auch hier weist Gelsenkirchen mit 13,2 % im Jahr 2018 den höchsten Wert auf. In den beiden anderen Vergleichsregionen in NRW haben lediglich Krefeld und Mönchengladbach ähnlich hohe Quoten wie die kreisfreien Städte des Ruhrgebiets.

In diesem Zusammenhang ist auch ein Blick auf die Entwicklung in den letzten Jahren hilfreich. Abbildung 1.14 zeigt für alle Kreise die Veränderung gegenüber 2013 in Prozentpunkten. Die Stadt Gelsenkirchen fällt hier mit einem Zuwachs um 7,0 Prozentpunkte besonders stark auf. Keine andere kreisfreie Stadt in NRW hat einen ähnlich hohen Anstieg zu verzeichnen – bundesweit ist der Anstieg lediglich in Salzgitter mit 9,5 Prozentpunkten noch höher. Verbessert hat sich in NRW die Situation vor allem in der Ruhrgebietsstadt Hamm (-4,7 Prozentpunkte). Die weiteren kreisfreien Städte der Metropole Ruhr, etwa Hagen, Herne, Duisburg und Mülheim a. d. Ruhr, haben sich mit Wachstumsraten zwischen drei und vier Prozentpunkten verschlechtert.

Geringere SGB-II-Quoten der unter 15-Jährigen in den Vergleichsregionen

Um die soziale Lage der Minderjährigen in der Metropole Ruhr im bundesweiten Vergleich einzuordnen, werden die SGB-II-Quoten der unter 15-Jährigen für die Vergleichsregionen in Abbildung 1.15 dargestellt.

In den süddeutschen Vergleichsregionen ist die SGB-II-Quote der Minderjährigen sehr gering: In der Region München liegt die Quote im Jahr 2018 nur bei 7,1 % und in der Region um Stuttgart bei rund 9 %, während das Ruhrgebiet mit rund 26 % das Schlusslicht bildet. Interessant ist in diesem Zusammenhang die zeitliche Entwicklung in den beiden Regionen mit besonders hoher Quote. Berlin wies im Jahr 2013 mit 26,4 % noch den höchsten Vergleichswert auf, das Ruhrgebiet lag damals mit durchschnittlich 23,8 % etwas darunter. Während in Berlin die Quote im weiteren zeitlichen Verlauf um ca. 4,5 Prozentpunkte sank, ist sie im Ruhrgebiet um 2,4 Prozentpunkte angestiegen. Auf den ersten Blick scheint sich in Berlin eine Verbesserung der sozialen Situation der unter 15-Jährigen abzuzeichnen, während das Ruhrgebiet weiter zurückgefallen ist. Allerdings hat gerade in Berlin die Anzahl der unter 15-Jährigen Personen in diesem Zeitraum um ca. 21 Prozentpunkte zugenommen hat, während die Anzahl im Ruhrgebiet relativ konstant geblieben ist. Die Verbesserung der sozialen Lage der Minderjährigen in Berlin kann insofern auch durch eine selektive Zuwanderung ökonomisch stärkerer Bevölkerungsgruppen zustande gekommen sein.

Starke soziale Segregation in der Metropole Ruhr

Die bisherigen Auswertungen zur sozialen Lage bezogen sich auf die räumliche Ebene der Kreise oder Regionen. Durch die damit verbundene Durchschnittsbildung werden kleinräumige lokale Unterschiede, etwa zwischen Vorortwohnvierteln, innerstädtischen Lagen oder Großwohnsiedlungen, nivelliert. Aktuelle Studien auf kleinräumiger Ebene zeigen, dass in Nordrhein-Westfalen und speziell im Ruhrgebiet die Diversität innerhalb der Städte häufig größer ist als zwischen den Kreisen und Gemeinden (vgl. Jeworutzki & Schräpler, 2020). Abbildung 1.16 zeigt die SGB-II-Bedarfsgemeinschaftsquote (BG-Quote) auf Bezirksebene für die Metropole Ruhr im Jahr 2017.*Als Bezirke dienen die Postleitzahl-8-Gebiete der Firma microm. Diese umfassen in NRW im Durchschnitt 568 Haushalte. Erkennbar ist die sehr ungleiche räumliche Verteilung der Quoten. Im Ruhrgebiet zeigt sich eine seit Jahrzehnten bestehende Spaltung zwischen den stark vom Bergbau geprägten nördlichen und den südlichen, vom intensiven Bergbau verschonten Stadtteilen. Hohe bis sehr hohe BG-Quoten, aber auch hohe Anteile an Migrant*innen und kinderstarken Familien finden sich insbesondere im Norden der Metropole Ruhr und hier vor allem in den größeren Ruhrgebietsstädten wie z. B. in Mülheim a. d. Ruhr, Essen und Dortmund sowie Gelsenkirchen. Im Süden der Metropole Ruhr sind die Quoten deutlich geringer.

Die Autobahn A40 durchläuft die Ruhrgebietsregion von West nach Ost und ist dabei ein visueller Repräsentant dieser sozialen, demografischen und ethnischen Segregation. Sie wird daher häufig auch als Sozialäquator bezeichnet.

Diese starke Segregation hat auch Folgen für die Bildungsteilhabe in dieser Region. Viele Schulen und KiTas im nördlichen Ruhrgebiet weisen hohe bis sehr hohe Anteile an Kindern in Armut und mit nichtdeutscher Familiensprache auf. Diese Schulen und KiTas bedürfen einer besonderen Unterstützung und weisen i. d. R. einen höheren Personalbedarf auf. Dementsprechend ist eine bedarfsorientierte Personalversorgung von Schulen notwendig, die chancenausgleichend wirkt und die Integration sozial schwächerer Schüler*innen sowie Schüler*innen mit nichtdeutscher Familiensprache zum Ziel haben muss. In NRW wurden zu diesem Zweck die ersten Schritte zur Einführung eines schulscharfen Sozialindex unternommen.

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