Bildungsbericht Ruhr 2020

Frühe Bildung

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey
Dr. PH Sabine Wadenpohl

2. Frühe Bildung

Frühkindliche Bildung wurde in den letzten Jahren bundesweit stark ausgebaut. Die Anzahl der betreuten Kinder – in Kindertageseinrichtungen (KiTas) und in der Kindertagespflege (KTPf) – ist zwischen 2013 und 2018 deutlich gestiegen (Abbildung 2.1). Das ist vor allem auf die steigenden Zahlen der betreuten unter Dreijährigen zurückzuführen.

In der Metropole Ruhr – wie auch im Rheinland und in Westfalen außerhalb des Ruhrgebiets – fällt dieser Anstieg wesentlich deutlicher aus als in anderen Metropolregionen. Das hängt zwar teilweise damit zusammen, dass die Ausgangslage im Basisjahr 2013 hier ungünstiger war als etwa im traditionell durch hohe Beteiligungsquoten gekennzeichneten Berlin; dennoch ist zu erkennen, dass in der Metropole Ruhr erhebliche Leistungen zum Ausbau der Betreuungsinfrastruktur erbracht wurden.

Ein Blick auf die Ausbaustrategien in der Metropole Ruhr wird im Folgenden zeigen, dass die einzelnen Kommunen dabei unterschiedliche Wege gehen. Herausforderungen ergeben sich vor allem bei der Deckung des Personalbedarfs. Die Anzahl der unter Sechsjährigen ist schneller gewachsen als die Infrastruktur der frühen Bildung. Vor diesem Hintergrund konnte zwar die Beteiligungsquote bei den unter Dreijährigen gesteigert werden, die Nutzung von KiTas durch die Drei- bis unter Sechsjährigen ist jedoch rückläufig. In den KiTas, aber auch in der Kindertagespflege steigt der Anteil von Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache. Bei den Entwicklungsstand der Kinder/Sozialpädiatrisches Entwicklungsscreening für SchuleingangsuntersuchungenBei den Einschulungsuntersuchungen in Nordrhein-Westfalen wird der Entwicklungsstand der Kinder durch das standardisierte Sozialpädiatrische Entwicklungsscreening für Schuleingangsuntersuchungen (SOPESS) erfasst. Dieses Screening wurde vom Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (heute Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen) in Zusammenarbeit mit den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten der Gesundheitsämter Nordrhein-Westfalens und der Universität Bremen entwickelt.

Für die individualmedizinische Indikation schulärztlicher Maßnahmen und Empfehlungen, wie beispielsweise die Einleitung einer weiteren Diagnostik oder die Beratung von Eltern und Schulen, werden bei den schulärztlichen Untersuchungen weitere sozialpädiatrische Erkenntnisse auch aus der somatischen Untersuchung inklusive der schulärztlichen Anamnese berücksichtigt. Ziel der schulärztlichen Untersuchung ist es, noch nicht bekannte oder ärztlich nicht ausreichend versorgte schulrelevante gesundheitliche Beeinträchtigungen zu identifizieren, damit notwendige ärztliche Behandlungen oder weitere (therapeutische) Maßnahmen möglichst noch vor Schulbeginn begonnen werden können. Schulärztinnen und Schulärzte haben eine wichtige sozialkompensatorische Funktion, indem sie Eltern und die Schule zielgruppenspezifisch beraten, um ein gesundes Aufwachsen aller Kinder zu ermöglichen. Die schulärztliche Untersuchung leistet so einen wichtigen Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit.

Defizite in der Sprachkompetenz (in der deutschen Sprache) zum Zeitpunkt der schulärztlichen Untersuchung zur Einschulung

Die Ausdrucksfähigkeit und das Sprachverständnis im Deutschen sind eine Grundvoraussetzung für den Schulerfolg und aktive Teilnahme am Unterricht. Auch für die soziale Integration und das gelingende Aufwachsen in der Schule ist die Kommunikationsfähigkeit in der deutschen Sprache ein wichtiger Grundpfeiler.

Bei Kindern, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen, muss differenziert werden, ob eine Sprachentwicklungsstörung vorliegt oder es sich um spracherwerbsbedingte Sprachschwierigkeiten – im Sinne des Erlernens einer (Fremd-)Sprache – handelt. Zu beachten ist, dass bei diesen Kindern die Schwierigkeiten beim Erlernen der Zweitsprache auch durch eine Sprachentwicklungsstörung verursacht werden können (vgl. Rothweiler & Ruberg, 2011).

Auffälligkeiten im Bereich des Erkennens und Zeichnens von Objekten und Formen sowie Auffälligkeiten im Umgang mit Zahlen und Mengen

Das Erkennen und Zeichnen von Objekten und Formen sowie Auffälligkeiten beim Umgang mit Zahlen und Mengen stellen Grundvoraussetzungen für den Schulerfolg und die aktive Teilnahme am Unterricht dar. Diese (und weitere) spezifische und unspezifische Vorläuferfähigkeiten für den späteren, schulvermittelten Erwerb von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen werden ebenfalls mittels des Sozialpädiatrischen Entwicklungsscreenings erfasst. Die Screeningergebnisse geben wichtige Hinweise im Rahmen der schulärztlichen Untersuchung, die zur sozialpädiatrischen Gesamtbeurteilung der einzuschulenden Kinder verwendet werden.

Für weitere Details zur Bestimmung der Defizite in der Sprachkompetenz oder Auffälligkeiten im Bereich des Erkennens und Zeichnens von Objekten und Formen sowie Auffälligkeiten im Umgang mit Zahlen und Mengen, etwa die genaue Indikatorenbildung, siehe u. a. Daseking et al. (2009) und Petermann et al. (2009).
Schuleingangsuntersuchungen
zeigt sich, dass diese Kinder – insbesondere, aber nicht nur bei einem niedrigen Bildungshintergrund im Kontext der SchuleingangsuntersuchungenEinladungen zu den Einschulungsuntersuchungen wird in NRW ein Fragebogen beigelegt, in dem die Eltern gebeten werden, über ihren Schulabschluss und ihren beruflichen Abschluss Auskunft zu geben. Die Beantwortung dieser Fragen ist freiwillig. Gefragt wird nach dem jeweils höchsten erworbenen schulischen und beruflichen Abschluss der Mutter und des Vaters. Für den Bildungsstand des Haushaltes zählt der Bildungsstand des Elternteils, das die höchsten formalen Abschlüsse erworben hat. Die acht möglichen Ausprägungen werden in drei Kategorien zusammengefasst: Punktwert 1 bis 3: niedriger Bildungsstand; Punktwert 4 bis 6: mittlerer Bildungsstand; Punktwert 7 bis 8: hoher Bildungsstand (siehe Abbildung unten).

Die Definition entspricht den Empfehlungen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Epidemiologie, der Gesellschaft Informatik, Biometrie und Epidemiologie, der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention sowie der Deutschen Region der Internationalen Biometrischen Gesellschaft (Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen, 2008, S. 45).
Bildungsstand der Eltern
– häufig in ihrer sprachlichen Entwicklung keine altersgerechten Kompetenzen aufweisen.

Entwicklungsdefizite in den nichtsprachlichen Bereichen werden hingegen stärker vom Bildungsstand der Eltern als von der Familiensprache beeinflusst. Insgesamt finden sich Kinder mit Kompetenzdefiziten häufiger in der Metropole Ruhr als in anderen Regionen Nordrhein-Westfalens. Der weitere Ausbau der frühkindlichen Bildung, von der gerade Kinder mit ungünstigen Startbedingungen profitieren, stellt also eine zentrale Herausforderung für die Region dar.

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