Bildungsbericht Ruhr 2020

Allgemeinbildende Schulen

Prof. Dr. Gabriele Bellenberg

3.8. Ausblick

Eine zentrale Voraussetzung dafür, den Strukturwandel im Ruhrgebiet bewältigen zu können, ist insgesamt eine hohe Qualifikationsstruktur der Bevölkerung sowie im Besonderen der nachwachsenden Generation. Der Weg dahin führt über institutionalisierte Bildungsprozesse von der KiTa bis zur Universität. Der formale Bildungsstand der Bevölkerung im Ruhrgebiet hinkt dem in anderen Regionen hinterher, weiterhin besteht daher ein erheblicher Aufholbedarf. Die Hoffnungen ruhen damit auf den nachwachsenden Generationen, die sich gerade in entsprechenden Bildungsprozessen befinden.

Die Voraussetzungen im Ruhrgebiet, die jungen Leute anspruchsvoll zu qualifizieren, sind weiterhin ungünstiger und herausfordernder als in entsprechenden Vergleichsregionen: Neben der Zuwanderung durch EU-Binnen- wie auch Fluchtmigration, die sich innerhalb des Ruhrgebiets häufig auf bereits besonders belastete Stadtteile konzentriert, ist es vor allem die Tatsache, dass überproportional viele Schulen in der Metropole Ruhr vor allem in den kreisfreien Städten über schwierige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rahmenbedingungen verfügen. Besonders häufig finden sich solche Schulen in Stadtteilen, die bereits langfristig durch einen massiven Strukturwandel geprägt sind. Die Schüler*innenschaft dieser Schulen ist bereits individuell durch meist mehr als nur eine der herkunftsbedingten Risikolagen – Arbeitslosigkeit der Eltern, Armut, Zuwanderung sowie niedriger Bildungsstand der Eltern – betroffen und wird durch den ungünstigen Kompositionseffekt der Schule noch einmal vor zusätzliche Schwierigkeiten gestellt.

Entgegenzuwirken ist diesen ungünstigen schulischen Lernmilieus, wie sie im Ruhrgebiet sowohl im Bereich der Grundschulen wie der weiterführenden Schulen häufig zu finden sind, durch eine kompensatorisch ausgerichtete Politik, die dem Grundsatz „Ungleiches ungleich behandeln“ folgt und dazu beiträgt, die individuellen wie schulspezifischen Lernvoraussetzungen an den Schulen zu verbessern und eine kompensatorische Förderung der Schüler*innen zu ermöglichen.

Die Auswertungen der erreichten Abschlüsse im Ruhrgebiet macht deutlich, dass auf der einen Seite ein bedeutsamer Anteil junger Menschen das Bildungssystem mit einer Hochschulreife verlässt, zugleich aber im Zeitverlauf der Anteil junger Menschen ohne oder mit nur dem einfachen Hauptschulabschluss zulasten des mittleren Abschlusses gestiegen ist. Nur durch zusätzliche Investitionen in die Köpfe der jungen Menschen lässt sich ihr Potenzial z. B. für den Fachkräftebedarf als Motor des Strukturwandels nutzbar machen.

Die letzten Jahre waren durch einen Anstieg der Schüler*innenzahlen im Bereich der Grundschule und einen nur moderaten Rückgang im Bereich der Sekundarstufen – bei erheblichen Unterschieden innerhalb des Ruhrgebiets – gekennzeichnet. Gleichwohl ist die schulische Infrastruktur zurück gebaut worden, was die pädagogischen Rahmenbedingungen für die Förderung der jungen Menschen zusätzlich verschlechtert hat. Eine Fortsetzung dieser Rückbaustrategie muss vor dem Hintergrund, dass in den nächsten Jahren die für das Pflichtschulsystem relevante Altersgruppe größer werden wird, dringend vermieden werden.

Bei der Schulstrukturentwicklung im Ruhrgebiet sollte sowohl berücksichtigt werden, dass die kommenden Jahre durch weiter steigende Schüler*innenzahlen geprägt sein werden als auch vermieden werden, dass kommunale Schulstrukturen Schulangebote schaffen, die eine Homogenisierung leistungsschwacher Schüler*innen begünstigen. Anfällig für solche Homogenisierungsprozesse, die ungünstige Lernmilieus und überindividuelle, zusätzliche negative Lernvoraussetzungen erzeugen, sind alle Schulformen jenseits des Gymnasiums. Aufgabe sollte daher sein, diese Prozesse differenziert zu beobachten und bei der Angebotsplanung zu berücksichtigen. Wie alle Bildungsregionen benötigt auch das Ruhrgebiet qualifiziertes pädagogisches Personal. Lehrkräfte sind in NRW insgesamt, aber auch im Ruhrgebiet ein knappes Gut. Neben Strategien, mehr Lehrkräfte innerhalb der Region zu qualifizieren muss es daher auch darum gehen, für die vorhandenen Lehrkräfte attraktiv zu sein. Dies ist eine Aufgabe der gesamten Region.

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