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Bildungsbericht Ruhr 2020

Hochschule

Prof. Dr. Uwe Wilkesmann
Dr. Sabine Lauer

5.5. Analyse: Bildungsbiografie beeinflusst Studienabbruchsneigung in der Metropole Ruhr

Eine Studie von RuhrFutur (2018) zum Studienverlauf untersucht den Zusammenhang zwischen demografischen Faktoren und Studienabbruchsgedanken der Student*innen in der Metropole Ruhr (Abbildung 5.26). Datengrundlage sind Studienverlaufsbefragungen der RuhrFutur-Hochschulen in den Wintersemestern 2016/17, 2017/18 und 2019/20, bei der Bachelorstudent*innen am Ende des fünften Semesters befragt wurden. Die Frage lautete: „Haben Sie sich bisher ernsthaft Gedanken gemacht, Ihr Studium abzubrechen?“, wobei die Antwortkategorien „nie“, „manchmal“ und „häufiger“ vorgegeben waren. Die Antwortverteilung aus dem WS 2019/20 ist in Abbildung 5.26 wiedergegeben. Bei der Analyse sind die Kategorien „manchmal“ und „häufiger“ zur Kategorie „ja“ zusammengefasst worden. In Befragungen zu anderen Zeitpunkten hat sich die Verteilung der Antworten über die drei Kategorien nicht grundlegend verändert, sondern sich im Zeitverlauf minimal zur Kategorie „nie“ verschoben. Da die befragten Student*innen aber noch durch die Befragung erreicht wurden, hatten sie ihr Studium nicht abgebrochen, sondern „nur“ eine Krise, in der sie diese Abbruchsgedanken hegten.

Die vorliegenden Ergebnisse decken sich grundsätzlich mit den Befunden in RuhrFutur (2018), wobei jedoch zum einen die Hochschultypen und zum anderen die einzelnen Befragungszeitpunkte gesondert betrachtet werden.*Das statistische Verfahren, das hier zum Einsatz kommt, ist die binäre logistische Regressionsanalyse. Zur Methodik von Regressionsanalysen siehe Hartung & Elpelt (2007) oder Backhaus et al. (2014).

Wie in Kapitel 5.2 dargelegt, unterscheiden sich die Schulformen, in denen die HochschulreifeDie Qualifikation für einen universitären Studiengang wird durch ein Zeugnis der Hochschulreife (allgemeine Hochschulreife oder fachgebundene Hochschulreife) nachgewiesen. Die allgemeine Hochschulreife berechtigt uneingeschränkt zum Studium an Universitäten und Fachhochschulen. Ein Zeugnis der fachgebundenen Hochschulreife berechtigt außer zum Studium an Fachhochschulen auch zum Studium bestimmter Fächer an Universitäten. Die Qualifikation für das Studium an Fachhochschulen kann auch durch ein Zeugnis der Fachhochschulreife nachgewiesen werden. Die Hochschulreife und die Fachhochschulreife können durch verschiedene Bildungsgänge erworben werden.HZB erworben wurde, in der Metropole Ruhr von den anderen Vergleichsregionen. Es wird deshalb untersucht, ob die unterschiedlichen Schulformen einen Einfluss auf die Studienabbruchstendenz haben. Als Referenzkategorie wurde das Gymnasium gewählt. Es zeigt sich, dass Student*innen an den drei Universitäten in der Metropole Ruhr...

Da Student*innen in der Metropole Ruhr überproportional viel arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ist auch dieser Faktor getestet worden. Interessanterweise verringert eine Arbeitszeit von weniger als zehn Stunden pro Woche während der Vorlesungszeit die Abbruchsgedanken um 4,9 Prozentpunkte bei Student*innen an Universitäten.

Dieser Befund könnte vorsichtig auch als Hinweis darauf gewertet werden, dass es unter Umständen nicht nur um die zeitliche Arbeitsbelastung geht, sondern auch um die Art der Nebentätigkeit. Denn neun Stunden pro Woche ist die typische Arbeitszeit studentischer Hilfskräfte, d. h. dieser Effekt lässt sich vermutlich damit erklären, dass diese Student*innen an der Universität selbst arbeiten und damit eine höhere Bindung an das Studium entwickeln. Zu den Ergebnissen einer jüngeren Studie zum Studienabbruch (DZHW) gehörte nämlich der Befund, dass eine gute akademische Integration und der Kontakt zu Lehrenden – häufige Merkmale einer Hilfskrafttätigkeit – mit einer geringeren Abbruchneigung einhergehen.

Die weiteren Besonderheiten der Student*innen im Ruhrgebiet, etwa die Tatsache, dass sie seltener aus einem akademischen Haushalt stammen, häufiger einen MigrationshintergrundDie Angaben zum Migrationshintergrund stammen aus dem Grundprogramm des Mikrozensus: „Als Person mit Migrationshintergrund gilt, wer nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt oder außerhalb des heutigen Gebietes der Bundesrepublik Deutschland geboren wurde und seit dem 1. Januar 1950 zugewandert ist oder wer mindestens ein zugewandertes Elternteil hat.“ Informationen zum Migrationshintergrund der Bevölkerung stehen erst ab dem Jahr 2016 zur Verfügung. In der Kommunalstatistik werden z. T. leicht davon abweichende Definitionen verwendet, um den Migrationshintergrund mithilfe der Angaben im Melderegister bestimmen zu können.

In der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden bei Kindern die Merkmale „Migrationshintergrund“ und „Familiensprache“ erfasst. Der Migrationshintergrund eines Kindes wird anhand der ausländischen Herkunft mindestens eines Elternteils definiert. Die unterschiedlichen Datenquellen (IT. NRW, Gemeindedatensatz, Statistik der BA), die im Kapitel „Berufliche Bildung“ verwendet werden, definieren die Gruppe derjenigen, die nicht der Gruppe der Deutschen zugerechnet werden können, unterschiedlich. Das führt zu einer eingeschränkten Vergleichbarkeit der Daten.
Migrationshintergrund
besitzen oder eine andere Sprache als Deutsch in der Familie sprechen, wurden ebenso als unabhängige Faktoren getestet. Alle diese Variablen – ebenso wie das Geschlecht oder ob die HZB in der Metropole Ruhr erworben wurde – haben keinen Einfluss auf die Studienabbruchsgedanken. Zwar hat das Alter bei Fachhochschulen einen signifikanten Einfluss auf die Abbruchsneigung, allerdings ist die Effektstärke sehr gering.

Bei den Studiengängen sind die BA Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften als Referenzkategorie gewählt worden. Es fällt auf, dass an den Universitäten die Studienabbruchsgedanken bei Student*innen der Geisteswissenschaften um 5,9 Prozentpunkte, bei Student*innen der Mathematik oder Naturwissenschaft um 6,2 Prozentpunkte, bei den Ingenieurwissenschaften um 3,6 Prozentpunkte und bei den juristischen Staatsexamensstudent*innen um 12,7 Prozentpunkte höher sind als bei Student*innen der Referenzfächer.

Zusätzlich sind noch zwei weitere Faktoren in die Analyse einbezogen worden, von denen aus der Forschung bekannt ist, dass sie einen großen Einfluss auf die Studienabbruchsgedanken ausüben. Zum einen ist nach der Theorie von Tinto (1975) die Studienabbruchsneigung umso geringer, je stärker Student*innen an der jeweiligen Hochschule sozial und akademisch integriert sind. Die Daten bestätigen diese Annahme für beide Hochschultypen: Der Faktor „soziale Integration“ reduziert die Studienabbruchsgedanken (um 10,6 Prozentpunkte an den Fachhochschulen und um 8,2 Prozentpunkte an den Universitäten). Dieser Faktor ist auch deshalb interessant, weil er durch die einzelnen Hochschulen selbst beeinflusst werden kann. Zum anderen haben Student*innen in Anlehnung an Bandura (1978) mit hoher SelbstwirksamkeitserwartungUnter Selbstwirksamkeit versteht man die persönliche Einschätzung der eigenen Kompetenzen, die allgemeine Bewältigung von Schwierigkeiten und Barrieren im täglichen Leben sowie die Fähigkeit, kritische Situationen aus eigener Kraft erfolgreich zu bewältigen. In diesem Sinne kann Selbstwirksamkeit als eine über Situationen und Handlungsfelder verallgemeinerte Kompetenzerwartung verstanden werden (Bandura, 1978).Selbstwirksamkeitserwartung ebenfalls eine geringere Studienabbruchsneigung, da sie motivierter sind, sich höhere Ziele setzen, diese ausdauernder verfolgen und deshalb auch im Studium erfolgreicher sind. Der Faktor Selbstwirksamkeit reduziert die Studienabbruchsgedanken bei beiden Hochschultypen mit hohen Effektstärken (14,0 Prozentpunkte bei den Universitäten und 6,9 Prozentpunkte bei den Fachhochschulen).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass einige der oben skizzierten Herausforderungen keine oder einige sogar positive Effekte auf die Studienabbruchsgedanken haben. Besonders hervorzuheben ist der reduzierende Einfluss der Berufstätigkeit (bis neun Stunden pro Woche) von Student*innen an Universitäten. Die Tatsache, dass viele Student*innen First Generation Academics sind, hat keinen Einfluss auf die Studienabbruchsgedanken. Bemerkenswert ist auch, dass bei Student*innen an den Fachhochschulen nur die soziale Integration und die Selbstwirksamkeit (neben minimalen Einflüssen des Alters) signifikante Effekte auf den Studienabbruchsgedanken haben. Alle anderen Faktoren haben keinen Einfluss. Die Hochschulen der Metropole Ruhr bieten ihren Student*innen also trotz sehr herausfordernder Bedingungen gute Entfaltungsmöglichkeiten.

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