Bildungsbericht Ruhr 2020

Frühe Bildung

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey
Dr. PH Sabine Wadenpohl

2.4. Ausblick

Die Infrastruktur früher Bildung wurde in der Metropole Ruhr in den letzten Jahren stark ausgebaut; allerdings konnte der Ausbau nicht mit dem gleichzeitigen Wachstum der Bevölkerung in der entsprechenden Altersgruppe Schritt halten. Die unterdurchschnittlichen und bei den über Dreijährigen sinkenden Beteiligungsquoten sowie die geringen Anteile an langen Betreuungszeiten deuten darauf hin, dass die Infrastruktur den Bedarf nicht vollständig decken kann und weiterhin erhebliche Anstrengungen für den quantitativen Ausbau erforderlich sind. Da die Ergebnisse allgemeiner Bedarfsabfragen in der Regel zu ungenau und zeitlich schnell überholt sind, wäre es für eine Einschätzung des tatsächlichen Bedarfs notwendig, Eltern bei der Anmeldung systematisch nach ihren Wünschen und jährlich nach eventuellem Veränderungsbedarf zu befragen, wobei auch jener Bedarf erfasst und ausgewertet werden muss, der über die aktuell angebotenen und gebuchten Betreuungslösungen hinausgehen.

Qualitativ gab es bei der Funktion von Kindertageseinrichtungen in den letzten Jahren erhebliche Weiterentwicklungen im Hinblick auf die ganzheitliche Beratung, Begleitung und Unterstützung von Familien und die gezielte Förderung von Kindern. Diese inhaltliche und konzeptionelle Weiterentwicklung kann zahlenmäßig nicht erfasst werden, bedarf jedoch trotzdem weiterhin großer Aufmerksamkeit. Neben der Weiterentwicklung der landesweiten Rahmenbedingungen – bspw. im Kontext der zum 01.08.2020 in Kraft getretenen Revision des Kinderbildungsgesetzes – spielen hier sowohl die (lokal sehr unterschiedlich gestaltete) Steuerung durch die örtlichen Jugendämter als auch die weitere Professionalisierung der KiTa-Träger eine große Rolle.

Ein besonderes Augenmerk muss dabei im Ruhrgebiet zum einen Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache gelten (was in wachsendem Maße nicht nur die KiTas, sondern auch die Kindertagespflege betrifft), zum anderen Kindern, die aufgrund des Bildungsstandes ihrer Eltern schwierige Startbedingungen haben. Gerade diese Kinder profitieren besonders von den Angeboten früher Bildung; ihre Eltern müssen deshalb gezielt dazu motiviert werden sie in Anspruch zu nehmen. Und mit dem weiteren Ausbau der Infrastruktur müssen die Beteiligungschancen gerade dieser Zielgruppe gestärkt werden. Ein Engpassfaktor beim Ausbau kann sich allerdings aus dem zunehmenden Fachkräftemangel ergeben, der im Ruhrgebiet wie auch landes- und bundesweit Handlungsbedarf auslöst.

Betrachtet man die Bildungskette, so verweisen die Auswertungen im Bereich der frühen Bildung auf große Herausforderungen für den Grundschulbereich. Dies gilt in quantitativer Hinsicht für die kommunale Schulentwicklungsplanung, da in den nächsten Jahren immer mehr Kinder im Grundschulalter zu erwarten sind. In qualitativer Hinsicht müssen sich die einzelnen Schulen zum einen darauf einstellen, dass aufgrund der gesunkenen Beteiligungsquoten in der frühen Bildung mehr Kinder in die Schulen kommen (werden), die nicht oder weniger lange in Kindertageseinrichtungen gefördert werden konnten. Zum anderen ist der Anteil an Einschulungskindern mit Kompetenzdefiziten größer als in anderen Regionen Nordrhein-Westfalens. Vor allem steigt der Anteil an Kindern, die mit nichtdeutscher Familiensprache aufwachsen und bei der Einschulung noch nicht über hinreichende Deutschkenntnisse verfügen. Die Herausforderungen, die sich durch die Analyse von Infrastruktur, Beteiligung und Ergebnissen im Bereich der frühen Bildung zeigen, müssen somit im Grundschulbereich aufgegriffen werden.

In der Corona-Krise wird deutlich, dass der Fachkräftemangel, verbunden mit einem hohen Anteil älterer Beschäftigter, in wachsendem Maße zum Risiko für die Erfüllung des Bildungsauftrags für Kinder unterhalb des Schulalters wird. Für Kinder aus bildungsbenachteiligten Elternhäusern gilt dies in besonderem Maße: Während berufstätige Eltern die Betreuungsleistungen deutlich und zum Teil massiv einfordern, kann der Bildungsbedarf von Kindern aus benachteiligten Familien leicht aus dem Fokus der Aufmerksamkeit verdrängt werden. Auch niederschwellige Förderangebote, die, wie bspw. die Familienzentren in Nordrhein-Westfalen, auf einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen und Eltern basieren, sind unter den Bedingungen reduzierter Kontakte schwer zu realisieren. Die Entwicklung der Qualität in der frühen Bildung wird daher genau zu beobachten sein.

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