Bildungsbericht Ruhr 2020

Frühe Bildung

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey
Dr. PH Sabine Wadenpohl

Heterogener Entwicklungsstand in den sprachunabhängigen Bereichen

Rund 9.070 Einschulungskinder zeigen Auffälligkeiten beim Erkennen und Zeichnen von Objekten und Formen (Abbildung 2.23). Bei rund 5.370 Kindern werden bei den Entwicklungsstand der Kinder/Sozialpädiatrisches Entwicklungsscreening für SchuleingangsuntersuchungenBei den Einschulungsuntersuchungen in Nordrhein-Westfalen wird der Entwicklungsstand der Kinder durch das standardisierte Sozialpädiatrische Entwicklungsscreening für Schuleingangsuntersuchungen (SOPESS) erfasst. Dieses Screening wurde vom Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (heute Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen) in Zusammenarbeit mit den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten der Gesundheitsämter Nordrhein-Westfalens und der Universität Bremen entwickelt.

Für die individualmedizinische Indikation schulärztlicher Maßnahmen und Empfehlungen, wie beispielsweise die Einleitung einer weiteren Diagnostik oder die Beratung von Eltern und Schulen, werden bei den schulärztlichen Untersuchungen weitere sozialpädiatrische Erkenntnisse auch aus der somatischen Untersuchung inklusive der schulärztlichen Anamnese berücksichtigt. Ziel der schulärztlichen Untersuchung ist es, noch nicht bekannte oder ärztlich nicht ausreichend versorgte schulrelevante gesundheitliche Beeinträchtigungen zu identifizieren, damit notwendige ärztliche Behandlungen oder weitere (therapeutische) Maßnahmen möglichst noch vor Schulbeginn begonnen werden können. Schulärztinnen und Schulärzte haben eine wichtige sozialkompensatorische Funktion, indem sie Eltern und die Schule zielgruppenspezifisch beraten, um ein gesundes Aufwachsen aller Kinder zu ermöglichen. Die schulärztliche Untersuchung leistet so einen wichtigen Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit.

Defizite in der Sprachkompetenz (in der deutschen Sprache) zum Zeitpunkt der schulärztlichen Untersuchung zur Einschulung

Die Ausdrucksfähigkeit und das Sprachverständnis im Deutschen sind eine Grundvoraussetzung für den Schulerfolg und aktive Teilnahme am Unterricht. Auch für die soziale Integration und das gelingende Aufwachsen in der Schule ist die Kommunikationsfähigkeit in der deutschen Sprache ein wichtiger Grundpfeiler.

Bei Kindern, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen, muss differenziert werden, ob eine Sprachentwicklungsstörung vorliegt oder es sich um spracherwerbsbedingte Sprachschwierigkeiten – im Sinne des Erlernens einer (Fremd-)Sprache – handelt. Zu beachten ist, dass bei diesen Kindern die Schwierigkeiten beim Erlernen der Zweitsprache auch durch eine Sprachentwicklungsstörung verursacht werden können (vgl. Rothweiler & Ruberg, 2011).

Auffälligkeiten im Bereich des Erkennens und Zeichnens von Objekten und Formen sowie Auffälligkeiten im Umgang mit Zahlen und Mengen

Das Erkennen und Zeichnen von Objekten und Formen sowie Auffälligkeiten beim Umgang mit Zahlen und Mengen stellen Grundvoraussetzungen für den Schulerfolg und die aktive Teilnahme am Unterricht dar. Diese (und weitere) spezifische und unspezifische Vorläuferfähigkeiten für den späteren, schulvermittelten Erwerb von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen werden ebenfalls mittels des Sozialpädiatrischen Entwicklungsscreenings erfasst. Die Screeningergebnisse geben wichtige Hinweise im Rahmen der schulärztlichen Untersuchung, die zur sozialpädiatrischen Gesamtbeurteilung der einzuschulenden Kinder verwendet werden.

Für weitere Details zur Bestimmung der Defizite in der Sprachkompetenz oder Auffälligkeiten im Bereich des Erkennens und Zeichnens von Objekten und Formen sowie Auffälligkeiten im Umgang mit Zahlen und Mengen, etwa die genaue Indikatorenbildung, siehe u. a. Daseking et al. (2009) und Petermann et al. (2009).
Schuleingangsuntersuchungen
Probleme im Umgang mit Zahlen und Mengen sichtbar. Kinder, die über altersgerechte Sprachkompetenzen verfügen, zeigen auch zu einem hohen Anteil eine altersgemäße Entwicklung in diesen beiden Bereichen (Zahlen und Mengen: 94,7 %; Objekte und Formen: 86,5 %). Deutlich anders sieht die Situation bei Kindern aus, die Probleme im Umgang mit der deutschen Sprache haben: Nur drei von fünf Kindern (60,1 %) können ohne Probleme Objekte und Formen erkennen und zeichnen, und nur rund zwei von drei Kindern (67,8 %) können altersgerecht mit Zahlen und Mengen umgehen.

Bei der Differenzierung nach Bildungsstand und Familiensprache wird sichtbar, dass bei Kindern aus deutschsprachigen Familien mit niedrigem Bildungsstand besonders häufig (sozial bedingte) Entwicklungsverzögerungen vorliegen. Bei Kindern aus anderssprachigen Familien spielt der formale Bildungsstand der Eltern hingegen eine deutlich geringere Rolle. Für sie erweisen sich die Deutschkenntnisse als Schlüsselkompetenz, um ihre Fähigkeiten in den anderen Entwicklungsbereichen zeigen zu können. Diese Ergebnisse sensibilisieren dafür, dass für die Arbeit in den KiTas und Schulen eine sehr differenzierte pädagogische Diagnostik notwendig ist. Gegebenenfalls sind ärztliche und therapeutische Expertisen einzuholen, denn Kinder, die medizinisch bedingte Entwicklungsverzögerungen zeigen, benötigen andere Formen der Förderung als Kinder mit sozial bedingten Entwicklungsrückständen. Des Weiteren gilt es Konzepte umzusetzen, mit denen Kinder aus anderssprachigen Familien und einer altersgerechten Gesamtentwicklung in der KiTa und der Grundschule Deutsch als Zweitsprache lernen und als Bildungssprache weiterentwickeln können.

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