Bildungsbericht Ruhr 2020

Frühe Bildung

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey
Dr. PH Sabine Wadenpohl

2.2. Die Bildungsbeteiligung – eine heterogene Entwicklung

Der Ausbau der Bildungsinfrastruktur ermöglichte einen Anstieg der Zahl betreuter Kinder. Um festzustellen, ob damit auch eine verbesserte Versorgung einhergeht, muss nach Quoten der Bildungsbeteiligung von Kindern der verschiedenen Altersgruppen gefragt werden – also nach den sogenannten Betreuungsquoten. Dabei wird im Folgenden unterschieden nach unter Dreijährigen (U3) und Drei- bis unter Sechsjährigen (3–U6).

Steigende Betreuungszahlen bei heterogener Entwicklung der Beteiligungsquoten

Betrachtet man nun diese Quoten, so zeigt sich wie schon im Bildungsbericht 2012 (vgl. Regionalverband Ruhr, 2012a, S. 57 f.), dass die Beteiligungsquoten bei über Dreijährigen deutlich höher liegen als bei jüngeren Kindern und dass erhebliche interkommunale Unterschiede bestehen (Abbildung 2.7 und Abbildung 2.8). Dabei sind die Differenzen zwischen der Kommune mit der höchsten und der mit der niedrigsten Quote bei den unter Dreijährigen mit 13,1 Punkten größer als bei den älteren Kindern mit 10,3 Punkten. In beiden Altersgruppen ist die Quote in der Metropole Ruhr niedriger als im Landesdurchschnitt. Bei den unter Dreijährigen ist sie seit dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs deutlich gestiegen, nämlich von 18,3 % im Jahr 2013 auf 25,1 % 2019. Die Differenz zum Landesdurchschnitt, wo die Quote von 19,9 % auf 28,2 % gestiegen ist, hat sich allerdings weiter vergrößert.

Bei den über Dreijährigen gehen die Beteiligungsquoten zurück. Während die Quote in der Metropole Ruhr noch 2013 mit 92,7 % nahezu exakt dem Landesdurchschnitt von 92,8 % entsprach, ist sie mit einem Minus von fast 4,0 Prozentpunkten deutlich gesunken und liegt 2019 bei 89,0 % – und damit um fast 3,0 Prozentpunkten unter dem Landesdurchschnitt von 91,8 %. Der Rückgang wird im Allgemeinen damit erklärt, dass mit dem Ausbau der U3-Betreuung Plätze für über Dreijährige knapper geworden sind. Eine größere Rolle spielt jedoch die Bevölkerungsentwicklung. Die absolute Zahl der betreuten Drei- bis unter Sechsjährigen ist in der Metropole Ruhr exakt im selben Maße gestiegen wie im Landesdurchschnitt; das Bevölkerungswachstum in dieser Altersgruppe ist jedoch stärker ausgefallen (Abbildung 2.9).

Auch für diese Altersgruppe ist das Angebot also ausgebaut worden, jedoch konnte der Ausbau mit dem Anstieg der Kinderzahlen nicht Schritt halten. Ein Blick auf die Bevölkerungsentwicklung bei den unter Dreijährigen zeigt, dass sich das Problem knapper 3–U6-Plätze in den kommenden Jahren verschärfen wird, denn bei der nachwachsenden Altersgruppe, also bei den unter Dreijährigen, ist ein noch stärkeres Bevölkerungswachstum zu verzeichnen.

Im Vergleich zu anderen Metropolregionen zeigt ein Blick auf die Situation im Jahr 2018, dass die Betreuungsquote für die Drei- bis unter Sechsjährigen geringfügig, die für unter Dreijährige hingegen deutlich niedriger liegt als in anderen Metropolregionen (Abbildung 2.10). Unterschiede fallen hier bei den unter Dreijährigen vor allem im Vergleich zu Berlin und Hamburg auf, bei den älteren Kindern insbesondere zu Stuttgart und der Rhein-Neckar-Region. Auch wenn anhand der Daten nicht auf die Nachfrage der Eltern und den Bedarf der Familien geschlossen werden kann, so unterstreicht der Vergleich doch, dass die entsprechende Infrastruktur im Ruhrgebiet dringend weiter ausgebaut werden muss. Noch deutlicher würden die Unterschiede ausfallen, wenn man in einigen Metropolregionen die kreisfreien Städte – also den Kern der Metropole – und die Kreise im näheren Umland vergleicht: In vielen Fällen liegen die Quoten in den Städten deutlich höher als in den umliegenden Kreisen; in Berlin, Hamburg und Stuttgart beträgt der Unterschied jeweils gut 11,0 Prozentpunkte. In der polyzentrischen Struktur des Ruhrgebiets lassen sich solche Unterschiede hingegen kaum erkennen; hier liegt die Quote in den kreisfreien Städten bei 25,1 % und in den Kreisen bei 23,8 %. Bei den insgesamt hohen Beteiligungsquoten der über Dreijährigen fallen die Unterschiede weniger stark auf; hier sind in allen Regionen die Werte in den Kreisen geringfügig höher als in den Städten.

In naher Zukunft ist im Ruhrgebiet von einem steigenden Platzbedarf in Einrichtungen der frühen Bildung auszugehen. Ob und inwieweit der in aktuellen Bevölkerungsprognosen (vgl. Kapitel 1) vorausgesagte Rückgang der Anzahl der unter Dreijährigen in den nächsten Jahren tatsächlich eintreten und etwas später auch zu einem Rückgang des Bedarfs an 3–U6-Plätzen führen wird, ist weder bezogen auf Geburtenentwicklung noch auf Zuwanderung sowie Zu- und Fortzüge sicher vorauszusehen. Insgesamt sind Bedarfsprognosen für die frühe Bildung noch schwieriger zu erstellen als für die Bildungsangebote für andere Altersgruppen, weil Veränderungen der Geburtenzahlen sich sehr kurzfristig in Veränderungen im Platzbedarf niederschlagen. Unabhängig von Prognosen ist sowohl anhand des interregionalen Vergleichs der Beteiligungsquoten als auch angesichts des Rückgangs bei den Drei- bis unter Sechsjährigen in den nächsten Jahren von einem deutlichen Ausbaubedarf der Infrastruktur der frühen Bildung in der Metropole Ruhr auszugehen.

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