Bildungsbericht Ruhr 2020

Rahmenbedingungen

Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler
Sebastian Jeworutzki

1.6. Familien- und Lebensverhältnisse

Die familiäre Situation von Kindern und Jugendlichen beeinflusst auch abseits der wirtschaftlichen Lage der Familien und des Bildungshintergrundes der Eltern deren Bildungs- und Lebenschancen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2018). Ein Aspekt ist die Betreuungssituation in der Familie, die sich sowohl für unterschiedliche Lebensformen als auch in Bezug auf die Erwerbssituation der Eltern anders darstellt.

Um einen Überblick über die Lebensverhältnisse von Familien zu geben, bietet es sich an, zwischen den Familienformen Ehepaare, Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende zu unterscheiden.

Die Abbildung 1.22 gibt einen Überblick über die Anteile dieser Familienformen unterschieden nach Familien mit und ohne MigrationshintergrundDie Angaben zum Migrationshintergrund stammen aus dem Grundprogramm des Mikrozensus: „Als Person mit Migrationshintergrund gilt, wer nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt oder außerhalb des heutigen Gebietes der Bundesrepublik Deutschland geboren wurde und seit dem 1. Januar 1950 zugewandert ist oder wer mindestens ein zugewandertes Elternteil hat.“ Informationen zum Migrationshintergrund der Bevölkerung stehen erst ab dem Jahr 2016 zur Verfügung. In der Kommunalstatistik werden z. T. leicht davon abweichende Definitionen verwendet, um den Migrationshintergrund mithilfe der Angaben im Melderegister bestimmen zu können.

In der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden bei Kindern die Merkmale „Migrationshintergrund“ und „Familiensprache“ erfasst. Der Migrationshintergrund eines Kindes wird anhand der ausländischen Herkunft mindestens eines Elternteils definiert. Die unterschiedlichen Datenquellen (IT. NRW, Gemeindedatensatz, Statistik der BA), die im Kapitel „Berufliche Bildung“ verwendet werden, definieren die Gruppe derjenigen, die nicht der Gruppe der Deutschen zugerechnet werden können, unterschiedlich. Das führt zu einer eingeschränkten Vergleichbarkeit der Daten.
Migrationshintergrund
in den Regionen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2018. Es ist erkennbar, dass Ehepaar mit Kind die am häufigsten vorkommende Familienform ist (in ganz Nordrhein-Westfalen 73,4 %). Zudem ist der Anteil Alleinerziehender bei Familien ohne Migrationshintergrund stets größer als in denen mit Migrationshintergrund. Am höchsten ist er im Ruhrgebiet mit 19,2 %; das Rheinland weist mit 18,5 % einen nur leicht geringeren Anteil auf.

Aktuelle Studien zeigen, dass bei Paarfamilien noch immer das Zuverdiener*innenmodell den höchsten Stellenwert hat und die Väter meist in Vollzeit und die Mütter in Teilzeit bis 32 Stunden arbeiten. Die Erwerbsbeteiligung der Mütter steigt dabei mit dem Alter der Kinder (vgl. z. B. Seifert et al., 2019) und hängt stark von der Betreuungssituation der Kinder ab. Sie nimmt signifikant zu, wenn die Kinder sechs Jahre oder älter sind und in die Schule gehen. Abbildung 1.23 zeigt den Anteil der Paargemeinschaften mit ledigen Kindern nach der Anzahl der Erwerbstätigen in der Familie im Zeitverlauf für alle Regionen. Die Ergebnisse zeigen ein interessantes Bild: Paargemeinschaften mit Kindern, in denen zwei Personen erwerbstätig sind, haben in allen Regionen die größten Anteile im Vergleich zu Paargemeinschaften mit nur einem oder keinem Erwerbstätigen und steigen seit dem Jahr 2016 leicht an (der Anstieg zwischen 2015 und 2016 ist z. T. auf Veränderungen in der Stichprobenziehung zurückzuführen). In der Region Berlin sind sie insgesamt am höchsten (2018: 69,6 %) und im Ruhrgebiet am niedrigsten (2018: 50,8 %). Demgegenüber sinken die Anteile von Paargemeinschaften mit Kindern mit nur einem Erwerbstätigen. Diese Konstellation ist noch am häufigsten im Ruhrgebiet zu finden (2018: 26,0 %). Die Anteile von Paargemeinschaften mit ledigen Kindern ohne Erwerbstätige sind relativ konstant auf einem niedrigen Niveau, wobei das Ruhrgebiet insgesamt den höchsten Anteilswert aufweist (2018: 7,3 %).

Die Unterschiede bei der Zahl der Erwerbstätigen sind vermutlich vor allem auf die Beschäftigtenquote von Frauen zurückzuführen.*Die Beschäftigtenquote von Frauen liegt stets etwas niedriger als die Erwerbstätigenquote, sie bezieht sich auf weibliche sozialversicherungspflichtig Beschäftigte von 15 bis unter 65 Jahren am 30.06. eines Jahres am Wohnort, bezogen auf die weibliche Bevölkerung der gleichen Alterskategorie am 31.12. des Vorjahres. Aktuelle Analysen zeigen, dass die Erwerbsquote und Erwerbstätigenquote als auch die Beschäftigtenquote von Frauen in Deutschland mit einer Vielzahl unterschiedlicher individueller und haushaltsbezogener Faktoren im Zusammenhang steht. Auswertungen auf Basis des MikrozensusDer Mikrozensus ist die jährliche Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik, bei der ungefähr 1 % der Bevölkerung zu Demografie, Erwerbstätigkeit und Bildung befragt werden. Da es sich beim Mikrozensus um eine repräsentative Zufallsstichprobe handelt, lassen sich die Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung übertragen und erlauben aufgrund der großen Anzahl an Befragten zudem auch regionale Analysen.

Vergleichbarkeit der Angaben aus dem Mikrozensus

Durch Umstellung auf eine neue Stichprobe 2016 ist die Vergleichbarkeit der Mikrozensusergebnisse ab dem Berichtsjahr 2016 mit Jahren davor teilweise eingeschränkt. Durch eine neue Auswahlgesamtheit im Jahr 2016 ist anzunehmen, dass größere Haushalte und insbesondere Ehepaare mit Kindern im Mikrozensus geringfügig unterrepräsentiert sind. Diese Unterrepräsentation kumuliert sich über die Jahre, sodass bei einer Aktualisierung der Auswahl das Niveau wieder angehoben wird. In der Zeitreihe macht sich diese Niveauanpassung durch eine Zunahme größerer Haushalte sowie von Ehepaaren mit Kindern bemerkbar. Des Weiteren ist zu vermuten, dass mit der Niveauanpassung von Ehepaaren mit Kindern auch eine Zunahme der Erwerbstätigen einhergeht, da Väter eine generell hohe Erwerbsbeteiligung aufweisen (Statistisches Bundesamt, 2017).
Mikrozensus
kann entnommen werden, dass die Quoten von Frauen in verschiedenen soziodemografischen Gruppen in Nordrhein-Westfalen unter dem Bundesdurchschnitt liegen und im Bundesländervergleich, neben dem kleinen Flächenland Saarland und dem Stadtstaat Bremen, am niedrigsten ist. Dieser Befund gilt sowohl für die Erwerbs- als auch die Erwerbstätigenquote; in beiden Fällen zeigen sich ähnliche Unterschiede und Entwicklungen (vgl. Seifert et al., 2019). Als Ursachen der geringeren Erwerbsbeteiligung von Frauen in NRW wurden u. a. ein niedrigeres Qualifikationsniveau und ein im Vergleich höherer Migrantenanteil festgestellt.

Abbildung 1.24 zeigt die regionale Verteilung der Beschäftigtenquote in Prozent auf Kreisebene. Die Spannweite der Quote ist erheblich: Sie reicht 2019 von 44,7 % in Gelsenkirchen bis zu 57,2 % in Gütersloh. Allgemein ist sie im Münsterland und in Teilen Ostwestfalens überdurchschnittlich hoch. Niedrige Frauenerwerbsquoten zeigen sich im nördlichen Ruhrgebiet und am Niederrhein.

Im Beobachtungszeitraum ist die Frauenbeschäftigtenquote in allen Kreisen in NRW angestiegen. Besonders hohe Zuwächse finden sich weniger in den Großstädten des Ruhrgebiets als vielmehr in ländlichen Kreisen: in Borken, Heinsberg, Olpe und Höxter.

Abbildung 1.25 zeigt die Entwicklung der Frauenbeschäftigtenquote nach Nationalität und Vergleichsregion. Erkennbar ist, dass die Quoten bei den nichtdeutschen Frauen deutlich niedriger liegen als bei den deutschen. In allen Regionen sind die Beschäftigtenquoten sowohl für deutsche als auch nichtdeutsche Frauen von 2013 bis 2019 angestiegen. Im Ruhrgebiet fällt dieser Zuwachs bei deutschen Frauen mit 16,5 % leicht höher aus als in den anderen Regionen, sodass im Vergleich etwas aufgeholt werden konnte. Die Quote ist mit 55,1 % im Jahr 2019 aber immer noch die niedrigste aller hier betrachteten Regionen.

Die Niveauunterschiede zwischen den Regionen fallen bei den nichtdeutschen Frauen größer aus als bei den deutschen. Auch hier weist das Ruhrgebiet die niedrigsten Quoten auf (2019: 27,7 %). Erstaunlich ist, dass die nichtdeutsche Frauenbeschäftigtenquote in München (2019: 56,7 %) inzwischen höher liegt als die Frauenbeschäftigtenquote deutscher Frauen im Ruhrgebiet.

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