Bildungsbericht Ruhr 2020

Frühe Bildung

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey
Dr. PH Sabine Wadenpohl

Steigende Anteile von Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache

Schließlich ist nach der Nutzung frühkindlicher Bildung durch Kinder mit Zuwanderungsgeschichte zu fragen. In der Kinder- und JugendhilfestatistikIn der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden die entsprechenden Daten immer mit einem Stichtag im März erhoben, während Kindergarten- und Schuljahr jeweils im August beginnen. Die so berechneten Beteiligungsquoten fallen damit tendenziell immer niedriger aus, als dies im August der Fall wäre, wenn ein Teil der Kinder von der KiTa in die Schule gewechselt und der nächste Altersjahrgang in die Kindertagesbetreuung nachgerückt ist. Zum gleichen Zeitpunkt wechseln häufig Dreijährige von der Kindertagespflege in die KiTa. Für unter Dreijährige bedeutet das, dass die Gesamtbeteiligungsquote im März geringer ausfällt als bei einer Berechnung im August; für Drei- bis unter Sechsjährige ergibt sich eine höhere Quote für die Tagespflege und eine geringere für die KiTa. Zu beachten ist außerdem, dass Sechsjährige, die noch nicht in die Schule gehen, bei der Berechnung der Quoten nicht erfasst werden. Da Kinder kurz vor dem Schuleintritt besonders häufig eine KiTa besuchen, entsteht auch dadurch eine (wenn auch marginale) Verringerung der Quote. Die auf der Basis der Jugendhilfestatistik berechneten Quoten haben demnach nur eine begrenzte Aussagekraft im Hinblick auf die Bedarfsdeckung, können aber genutzt werden, um Entwicklungen zu identifizieren und zu vergleichen.

Bezüglich der Anzahl der Kindertageseinrichtungen weist die Kinder- und Jugendhilfe jene Einrichtungen aus, die zum Stichtag in Betrieb waren. Dabei ist zu unterscheiden zwischen KiTa-Standorten und Einrichtungen. Eine Einrichtung kann mehrere Standorte haben, bekommt aber nur eine KiTa-Nr. zugewiesen; auch die statistische Erfassung läuft nur über die eine KiTa-Nr. Möglicherweise liegt hier eine Erklärung dafür, dass die Zahlen in der Kinder- und Jugendhilfestatistik den tatsächlichen Stand offenbar unterschätzen. In den von den Kommunen in der Regel herangezogenen Daten aus dem KiBiz-Web können auch Einrichtungen aufgenommen werden, die im folgenden KiTa-Jahr den Betrieb aufnehmen. Deshalb kann es hier zu einer leichten Überschätzung der KiTa-Zahlen kommen.
Jugendhilfestatistik
werden bei Kindern die Merkmale „Migrationshintergrund“ und „Familiensprache“ erfasst. Der Migrationshintergrund eines Kindes wird anhand der ausländischen Herkunft mindestens eines Elternteils definiert. Der Anteil der Kinder mit MigrationshintergrundDie Angaben zum Migrationshintergrund stammen aus dem Grundprogramm des Mikrozensus: „Als Person mit Migrationshintergrund gilt, wer nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt oder außerhalb des heutigen Gebietes der Bundesrepublik Deutschland geboren wurde und seit dem 1. Januar 1950 zugewandert ist oder wer mindestens ein zugewandertes Elternteil hat.“ Informationen zum Migrationshintergrund der Bevölkerung stehen erst ab dem Jahr 2016 zur Verfügung. In der Kommunalstatistik werden z. T. leicht davon abweichende Definitionen verwendet, um den Migrationshintergrund mithilfe der Angaben im Melderegister bestimmen zu können.

In der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden bei Kindern die Merkmale „Migrationshintergrund“ und „Familiensprache“ erfasst. Der Migrationshintergrund eines Kindes wird anhand der ausländischen Herkunft mindestens eines Elternteils definiert. Die unterschiedlichen Datenquellen (IT. NRW, Gemeindedatensatz, Statistik der BA), die im Kapitel „Berufliche Bildung“ verwendet werden, definieren die Gruppe derjenigen, die nicht der Gruppe der Deutschen zugerechnet werden können, unterschiedlich. Das führt zu einer eingeschränkten Vergleichbarkeit der Daten.
Migrationshintergrund
an allen betreuten Kindern in der Metropole Ruhr liegt bei einem knappen Drittel und damit nur geringfügig höher als im Landesdurchschnitt (Abbildung 2.15). Innerhalb des Ruhrgebietes gibt es eine große Bandbreite – die Anteile variieren zwischen 22,3 % im Kreis Wesel und 52,1 % in Gelsenkirchen. Ebenso wie im Landesdurchschnitt ist der Anteil in der Metropole Ruhr und in fast allen einzelnen Kommunen zurückgegangen. Dies dürfte zum einen durch einen Anstieg der Geburten von Kindern deutscher Herkunft bedingt sein, zum anderen dadurch, dass es sich bei den Eltern der betreuten Kinder in zunehmendem Maße um Menschen der zweiten und dritten Generation handelt, die zwar einen Migrationshintergrund haben, aber selbst – ebenso wie ihre Kinder – in Deutschland geboren sind, sodass die Kinder statistisch nicht mehr mit dem Merkmal „Migrationshintergrund“ geführt werden. In Statistiken, die im Hinblick auf dieses Merkmal auch Staatsangehörigkeiten oder die Familiensprache erfassen, zeigt sich hingegen ein deutlicher Zuwachs von Kindern mit Migrationshintergrund, nicht zuletzt auch beim Anteil an Geburten (vgl. Kapitel 1).

Vergleicht man die Situation im Ruhrgebiet mit anderen Metropolregionen, so zeigt sich, dass die Unterschiede zwischen den Anteilen bei unter und über drei Jahre alten Kindern überall eine ähnliche Größenordnung haben (Abbildung 2.16): Familien mit Migrationshintergrund nutzen die Betreuung unter Dreijähriger seltener als Familien ohne Migrationshintergrund. Allgemein lässt sich auch feststellen, dass in fast allen Metropolregionen in der Kindertagesbetreuung ein hoher Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund vorzufinden ist; in der Metropole Ruhr zeigen sich hier mittlere Werte. Inwieweit geringere Anteile in manchen Regionen auf einen relativ hohen Anteil an Familien der zweiten oder dritten Generation zurückzuführen sind, kann hier nicht ermittelt werden. Dieser Aspekt könnte allerdings die relativ geringen Anteile im Ruhrgebiet und vor allem in Berlin erklären, während hohe Anteile im Frankfurter oder im Stuttgarter Raum damit zusammenhängen könnten, dass dort relativ viele international – und zum Teil in wechselnden Ländern – erwerbstätige Personen leben und arbeiten. Die Definition des Merkmals „Migrationshintergrund“ in der Jugendhilfestatistik erweist sich also in zunehmendem Maße als schwierig, wenn es darum geht, sozialstrukturelle Bedingungen zu erfassen.

Vollkommen anders stellt sich die Entwicklung im Ruhrgebiet dar, wenn man statt nach Migrationshintergrund nach Familiensprache differenziert. Der Anteil von Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache liegt in der Metropole Ruhr höher als im Landesdurchschnitt, ist seit 2013 angestiegen und erreicht 2019 mit 30,6 % fast den Wert des Anteils der Kinder mit Migrationshintergrund (32,9 %) (Abbildung 2.17). In einzelnen Kommunen gibt es sogar mehr betreute Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache als mit Migrationshintergrund. Erklärungen für diesen auf den ersten Blick erstaunlichen Befund ergeben sich zum einen daraus, dass durch die in letzten Jahren neu zugewanderten Familien der Anteil derjenigen, die eine andere als die deutsche Sprache sprechen, gestiegen ist. Zum anderen wird offenkundig, dass in Familien mit Eltern aus der zweiten Generation, deren Kinder nicht mehr unter das Merkmal „Migrationshintergrund“ fallen, häufig nicht die deutsche Sprache gesprochen wird. Für die Bildungsarbeit in der Kindertagesbetreuung ist dieser Befund von hoher Bedeutung; mit dem Anstieg der Anzahl von Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache steigen auch die Anforderungen an die Sprachbildung. Hier handelt es sich um einen bundesweiten Trend: Nach Auswertungen des Fachkräftebarometers Frühe Bildung werden inzwischen in den westdeutschen Ländern und Berlin in jeweils rund 90 % der Kindertageseinrichtungen Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache betreut (vgl. Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2019, S. 61).

Unterscheidet man nun zwischen KiTa und Kindertagespflege, so zeigt sich, dass es erhebliche Unterschiede gibt; Kindertagespflege wird offenkundig von Familien ausländischer Herkunft deutlich seltener in Anspruch genommen als die KiTa (Abbildung 2.18). Allerdings gibt es einen Trend zur Angleichung; die Differenz zwischen KiTa und Kindertagespflege ist in der Metropole Ruhr von 19,5 Punkten in 2013 auf 6,9 Punkte in 2019 gesunken. Ähnlich stellt sich dies in der Tendenz bei Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache dar, wenn auch die Unterschiede in der Nutzung von KiTa und Kindertagespflege bei dieser Gruppe 2019 größer sind als bei den Kindern mit Migrationshintergrund (Abbildung 2.19). Während die nichtdeutsche Familiensprache in der Kindertagespflege 2013 noch kaum eine Rolle spielte, kommt in der Metropole Ruhr 2019 fast jedes fünfte in diesem Setting betreute Kind aus einer Familie mit anderer Sprache. Damit dürften sich Herausforderungen für die Qualifizierung der Tagespflegekräfte auf dem Gebiet der Sprachbildung ergeben.

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