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Bildungsbericht Ruhr 2020

Frühe Bildung

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey
Dr. PH Sabine Wadenpohl

2.3. Die ungleichen Startbedingungen zu Beginn der Schulzeit - Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen

In Nordrhein-Westfalen werden alle Kinder vor Schulbeginn von den Schulärzt*innen der Gesundheitsämter untersucht. Die sozialmedizinische Anamnese und die somatische Untersuchung sowie das Entwicklungsstand der Kinder/Sozialpädiatrisches Entwicklungsscreening für SchuleingangsuntersuchungenBei den Einschulungsuntersuchungen in Nordrhein-Westfalen wird der Entwicklungsstand der Kinder durch das standardisierte Sozialpädiatrische Entwicklungsscreening für Schuleingangsuntersuchungen (SOPESS) erfasst. Dieses Screening wurde vom Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (heute Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen) in Zusammenarbeit mit den Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten der Gesundheitsämter Nordrhein-Westfalens und der Universität Bremen entwickelt.

Für die individualmedizinische Indikation schulärztlicher Maßnahmen und Empfehlungen, wie beispielsweise die Einleitung einer weiteren Diagnostik oder die Beratung von Eltern und Schulen, werden bei den schulärztlichen Untersuchungen weitere sozialpädiatrische Erkenntnisse auch aus der somatischen Untersuchung inklusive der schulärztlichen Anamnese berücksichtigt. Ziel der schulärztlichen Untersuchung ist es, noch nicht bekannte oder ärztlich nicht ausreichend versorgte schulrelevante gesundheitliche Beeinträchtigungen zu identifizieren, damit notwendige ärztliche Behandlungen oder weitere (therapeutische) Maßnahmen möglichst noch vor Schulbeginn begonnen werden können. Schulärztinnen und Schulärzte haben eine wichtige sozialkompensatorische Funktion, indem sie Eltern und die Schule zielgruppenspezifisch beraten, um ein gesundes Aufwachsen aller Kinder zu ermöglichen. Die schulärztliche Untersuchung leistet so einen wichtigen Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit.

Defizite in der Sprachkompetenz (in der deutschen Sprache) zum Zeitpunkt der schulärztlichen Untersuchung zur Einschulung

Die Ausdrucksfähigkeit und das Sprachverständnis im Deutschen sind eine Grundvoraussetzung für den Schulerfolg und aktive Teilnahme am Unterricht. Auch für die soziale Integration und das gelingende Aufwachsen in der Schule ist die Kommunikationsfähigkeit in der deutschen Sprache ein wichtiger Grundpfeiler.

Bei Kindern, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen, muss differenziert werden, ob eine Sprachentwicklungsstörung vorliegt oder es sich um spracherwerbsbedingte Sprachschwierigkeiten – im Sinne des Erlernens einer (Fremd-)Sprache – handelt. Zu beachten ist, dass bei diesen Kindern die Schwierigkeiten beim Erlernen der Zweitsprache auch durch eine Sprachentwicklungsstörung verursacht werden können (vgl. Rothweiler & Ruberg, 2011).

Auffälligkeiten im Bereich des Erkennens und Zeichnens von Objekten und Formen sowie Auffälligkeiten im Umgang mit Zahlen und Mengen

Das Erkennen und Zeichnen von Objekten und Formen sowie Auffälligkeiten beim Umgang mit Zahlen und Mengen stellen Grundvoraussetzungen für den Schulerfolg und die aktive Teilnahme am Unterricht dar. Diese (und weitere) spezifische und unspezifische Vorläuferfähigkeiten für den späteren, schulvermittelten Erwerb von Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen werden ebenfalls mittels des Sozialpädiatrischen Entwicklungsscreenings erfasst. Die Screeningergebnisse geben wichtige Hinweise im Rahmen der schulärztlichen Untersuchung, die zur sozialpädiatrischen Gesamtbeurteilung der einzuschulenden Kinder verwendet werden.

Für weitere Details zur Bestimmung der Defizite in der Sprachkompetenz oder Auffälligkeiten im Bereich des Erkennens und Zeichnens von Objekten und Formen sowie Auffälligkeiten im Umgang mit Zahlen und Mengen, etwa die genaue Indikatorenbildung, siehe u. a. Daseking et al. (2009) und Petermann et al. (2009).
Entwicklungsscreening
bilden die Grundlage dafür, dass die Schulärzt*innen die Entwicklung und Gesundheit der Kinder einschätzen können. Das Entwicklungsscreening wird nach dem Sozialpädiatrischen Entwicklungsscreening für Schuleingangsuntersuchungen in NRWDie Schuleingangsuntersuchung als medizinisch-sozialpädiatrische Untersuchung zum Schulbeginn erfüllt neben der individualmedizinischen eine arbeitsmedizinische, eine epidemiologische und eine sozialkompensatorische Funktion. Sie soll unter dem Aspekt der staatlichen Fürsorge gewährleisten, dass im Zusammenhang mit der Schulpflicht keine gesundheitlichen Benachteiligungen entstehen, dass verwertbare Aussagen zu einem gesamten Altersquerschnitt möglich sind und dass die Auswirkungen sozialer Benachteiligung auf die Gesundheit von Schulkindern gemildert werden. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in §54 SchulG (Schulgesetz) sowie §12 ÖGDG NRW (Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen).Schuleingangsuntersuchungen – SOPESS – durchgeführt (Bielefelder ModellIn Nordrhein-Westfalen werden die Schuleingangsuntersuchungen überwiegend nach dem sogenannten „Bielefelder Modell“ durchgeführt (vgl. Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen [LZG.NRW], o. J.). Die Vorgaben des Bielefelder Modells ermöglichen eine landesweit einheitliche, standardisierte Durchführung schulärztlicher Untersuchungen. Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen werden folgende Befunde erhoben:

• Körpermaße,
• Befunde der Sinnesorgane,
• Befunde des orthopädischen Bereichs,
• Allergien,
• Befunde der Entwicklung und des Verhaltens,
• sonstige schulrelevante Erkrankungen. Darüber hinaus werden im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung auch Impfstatus und Inanspruchnahme der Kinderfrüherkennungsuntersuchungen U1–U9 überprüft.

Die schulärztlichen Untersuchungen müssen stetig weiterentwickelt und dem medizinischen Wissensstand angepasst werden. Das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen entwickelt dafür regelmäßige Aktualisierungen des Bielefelder Modells in Kooperation mit der Schulärzteschaft und den zuständigen Ministerien.
Bielefelder Modell
). Dieses Testprogramm ist darauf ausgelegt, Kinder mit Entwicklungsrisiken sicher zu identifizieren.

Die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung werden mit den Eltern besprochen. Bei Entwicklungsverzögerungen oder gesundheitlichen Problemlagen werden die Eltern beraten, wie sie ihr Kind fördern und stärken können. Sind Kinder nicht ausreichend medizinisch oder therapeutisch versorgt, geht es darum, noch vor Schulbeginn die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Auch die künftige Grundschule erhält vom Gesundheitsamt eine Ausfertigung des ärztlichen Gutachtens, damit Lehrer*innen den besonderen Bedarf des Kindes vom ersten Schultag an berücksichtigen können. Die schulärztliche Untersuchung hat eine wichtige sozialkompensatorische Funktion und leistet so einen Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit. Für den Abschnitt über die Ergebnisse früher Bildung im Bildungsbericht Ruhr wurden Untersuchungsergebnisse zu folgenden Indikatoren ausgewertet:*Das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen hat die aufbereiteten Datenbestände des Einschulungsjahrgangs 2017 für die Analyse zur Verfügung gestellt. Für die Metropole Ruhr werden die stadtbezogenen Daten nur dann veröffentlicht, wenn eine Genehmigung des Gesundheitsamtes vorliegt. Das ist für die Städte Hamm und Herne nicht der Fall. Die Daten dieser beiden Städte sind jedoch im aggregierten Datenbestand für die Metropole Ruhr enthalten. Im Ennepe-Ruhr-Kreis wird SOPESS nicht durchgeführt.

  • Auffälligkeiten im Bereich des Erkennens und Zeichnens von Objekten und Formen Merkmalsbereiche: Visuomotorik, visuelles Wahrnehmen, selektive Aufmerksamkeit
  • Auffälligkeiten im Umgang mit Zahlen und Mengen Merkmalsbereiche: Zählen, Mengenvorwissen
  • Defizite in der Sprachkompetenz (in der deutschen Sprache)
  • BMI: (starkes) Übergewicht

Bei den ersten drei Bereichen wird das Augenmerk auf Entwicklungsprozesse gerichtet, die für das schulische Lernen von grundlegender Bedeutung sind. Mit dem Indikator „(starkes) Übergewicht“ kann das gesundheits- und entwicklungsrelevante Aufwachsen der Kinder abgebildet werden. Schon früh zeigt sich der Kreislauf von Ernährung und Bewegungsmöglichkeiten, Übergewicht und Gesundheitsrisiken. Hier haben KiTa und Schule eine wichtige Rolle bei der Gesundheitsförderung bekommen, da sie mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung zu zentralen Lebensräumen für die Kinder geworden sind.

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