Bildungsbericht Ruhr 2020

Berufliche Bildung

Dr. Sirikit Krone

4. Berufliche Bildung

Im Fokus dieses Kapitels stehen die verschiedenen Bildungspfade der beruflichen Erstausbildung junger Menschen nach Beendigung ihrer allgemeinbildenden Schulzeit mit oder ohne einen Abschluss. Bundesweit lässt sich seit mehreren Jahren ein Trend hin zu einer akademischen Ausbildung an Hochschulen und Universitäten beobachten, gekoppelt an die Zunahme der Anzahl von Schulabschlüssen, die eine (Fach-)HochschulreifeDie Qualifikation für einen universitären Studiengang wird durch ein Zeugnis der Hochschulreife (allgemeine Hochschulreife oder fachgebundene Hochschulreife) nachgewiesen. Die allgemeine Hochschulreife berechtigt uneingeschränkt zum Studium an Universitäten und Fachhochschulen. Ein Zeugnis der fachgebundenen Hochschulreife berechtigt außer zum Studium an Fachhochschulen auch zum Studium bestimmter Fächer an Universitäten. Die Qualifikation für das Studium an Fachhochschulen kann auch durch ein Zeugnis der Fachhochschulreife nachgewiesen werden. Die Hochschulreife und die Fachhochschulreife können durch verschiedene Bildungsgänge erworben werden.Hochschulzugangsberechtigung implizieren.*Der aktuelle Bericht „Bildung in Deutschland” zeigt erstmalig ein mögliches Ende dieser Entwicklung auf, offen bleibt, ob sich daraus eine Trendwende ergeben wird (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2020). Die Kehrseite dieses Akademisierungstrends zeigt sich in einem Rückgang der dualen Berufsausbildung, insbesondere bei der Gruppe derjenigen, die ihre Schule mit einem (Fach-)Abitur abschließen. Für die Metropole Ruhr, wie auch für ganz NRW, bedeuten diese Entwicklungen eine Zunahme des sich seit Jahren abzeichnenden bzw. in einigen Branchen bereits manifesten Fachkräftemangels, allerdings regional unterschiedlich und branchenspezifisch differenziert, wie später zu zeigen sein wird. Betrachten wir zunächst die zentralen Eckdaten zu den drei Säulen des beruflichen Bildungssystems.

Die quantitativ dominante duale Berufsausbildung

Das Angebot an dualen Berufsausbildungsplätzen hat sich im Berichtszeitraum in der Metropole Ruhr (ähnlich wie in ganz NRW) zu Gunsten der Nachfrager*innen entwickelt. Trotzdem stieg die Zahl der unversorgten Bewerber*innen an, was einen deutlichen Hinweis auf ein Matchingproblem gibt. Die Anzahl derjenigen, die eine duale Ausbildung antraten, ist leicht gesunken. Dies gilt ebenso für den Frauenanteil, demgegenüber ist die Quote derjenigen, die einen MigrationshintergrundDie Angaben zum Migrationshintergrund stammen aus dem Grundprogramm des Mikrozensus: „Als Person mit Migrationshintergrund gilt, wer nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt oder außerhalb des heutigen Gebietes der Bundesrepublik Deutschland geboren wurde und seit dem 1. Januar 1950 zugewandert ist oder wer mindestens ein zugewandertes Elternteil hat.“ Informationen zum Migrationshintergrund der Bevölkerung stehen erst ab dem Jahr 2016 zur Verfügung. In der Kommunalstatistik werden z. T. leicht davon abweichende Definitionen verwendet, um den Migrationshintergrund mithilfe der Angaben im Melderegister bestimmen zu können.

In der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden bei Kindern die Merkmale „Migrationshintergrund“ und „Familiensprache“ erfasst. Der Migrationshintergrund eines Kindes wird anhand der ausländischen Herkunft mindestens eines Elternteils definiert. Die unterschiedlichen Datenquellen (IT. NRW, Gemeindedatensatz, Statistik der BA), die im Kapitel „Berufliche Bildung“ verwendet werden, definieren die Gruppe derjenigen, die nicht der Gruppe der Deutschen zugerechnet werden können, unterschiedlich. Das führt zu einer eingeschränkten Vergleichbarkeit der Daten.
Migrationshintergrund
haben, gewachsen. Die Teilnehmer*innenzahlen an Abschlussprüfungen sind zwischen 2013 und 2018 deutlich um 12 % gesunken, wobei die Bestehensquote mit 90 % bei den Frauen und 86 % bei den Männern konstant geblieben ist. Die Zahlen vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge ist seit Jahren etwa konstant hoch, wobei von diesen etwa jede dritte Ausbildung bereits in der Probezeit vorzeitig beendet wird.

Die schulische Ausbildung an den Berufskollegs und Gesundheitsfachschulen

Das Angebot an schulischen Ausbildungsgängen an Berufskollegs/BerufsschulenDie Berufskollegs umfassen ein großes Spektrum verschiedener Bildungsgänge mit unterschiedlicher Zielsetzung bzw. unterschiedlichen Abschlüssen (Fachschule, Fachoberschule, Berufsschule, Berufsfachschule, berufliches Gymnasium), von denen im Kapitel „Berufliche Bildung“ nur einige berücksichtigt werden. Im Einzelnen sind das solche, die der Ausbildungsvorbereitung dienen (BK-Anlage A), sowie solche, die eine Kombination aus beruflicher und schulischer Qualifikation beinhalten und mit zwei Abschlüssen (einem beruflichen und einem schulischen) beendet werden (BK-Anlage B3; BK-Anlage C1).Berufskollegs liegt seit Jahren auf einem konstanten Niveau. An vier Berufskollegs in der Metropole Ruhr ist eine zweijährige Ausbildung möglich, an 14 eine dreijährige in Kombination mit der Erlangung der Fachhochschulreife und an 12 eine dreijährige in Kombination mit der Erlangung der allgemeinen Hochschulreife. Insgesamt zeigt sich bei der Entwicklung der Schüler*innenzahlen in diesen Bildungsgängen ein Rückgang im Berichtszeitraum, insbesondere für die Kombination aus Berufsabschluss und allgemeine Hochschulreife. Die angestrebten schulischen Qualifikationen wurden über den gesamten Zeitraum 2013 bis 2018 von dem überwiegenden Anteil der Absolvent*innen, Abgänger*innen und Abbrecher*innenIm allgemeinbildenden Schulwesen werden Personen, die die Schule mit mindestens Hauptschulabschluss verlassen, als Absolvent*innen bezeichnet; Abgänger*innen sind Personen, die die allgemeinbildende Schule nach Vollendung der Vollzeitschulpflicht ohne zumindest den Hauptschulabschluss verlassen. Dies schließt auch Jugendliche ein, die einen spezifischen Abschluss der Förderschule erreicht haben. Im Bereich der beruflichen Ausbildung gelten Personen, die einen Bildungsgang mit Erfolg durchlaufen, als Absolvent*innen. Wird ein Bildungsgang vorzeitig bzw. eine vollqualifizierende Ausbildung ohne Berufsabschluss verlassen, handelt es sich um Abbrecher*innen. Diese können gleichwohl die Möglichkeit genutzt haben, einen allgemeinbildenden Schulabschluss nachzuholen. Im Hochschulbereich bezeichnet man Personen, die ein Studium erfolgreich abgeschlossen haben, als Absolvent*innen. Studienabbrecher*innen sind Studierende, die das Hochschulsystem ohne Abschluss verlassen. Personen, die einen Studienabschluss nach dem Wechsel des Studienfachs und/oder der Hochschule erwerben, gelten nicht als Abbrecher*innen.Abgänger*innen (über 90 %) erreicht. Bildungsgänge in Schulen des GesundheitswesensDie Ausbildungsgänge in Schulen des Gesundheitswesens dauern i. d. R. drei Jahre und umfassen einen theoretischen und einen praktischen Teil. In folgenden Bereichen bzw. Gesundheitsfachberufen wird ausgebildet: Altenpflege, Ergotherapie, Gesundheits- und Krankenpflege bzw. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Hebammenkunde, Logopädie, Notfallsanitäter*in, Physiotherapie, Podologie, Medizinisch-Technische Assistenzberufe verschiedener Fachrichtungen, Masseur*in, medizinischer Bademeister*in, Pharmazeutisch-Technische Assistenz, Diätassistent*in, Orthoptist*in, Hygienekontrolleur*in, Desinfektor*in und Familienpfleger*in.Schulen des Gesundheitswesens wurden im Berichtszeitraum flächendeckend in der Metropole Ruhr angeboten (Schuljahr 2018/19 = 108 Standorte). Die Zahl der Ausländer*innen ist um etwa 63,5 % zwischen den Schuljahren 2013/14 und 2018/19 gestiegen. Die Absolvent*innen in diesen Bildungsgängen sind sehr erfolgreich, die Quote der erfolgreichen Abschlüsse liegt im gesamten Berichtszeitraum bei etwa 95 %, wobei die Frauen überdurchschnittlich gut abschneiden und die Quote bei der Gruppe der Ausländer*innen kontinuierlich unter dem Durchschnitt liegt.

Das System zur Berufsvorbereitung

Die Berufsorientierung erfolgt in Nordrhein-Westfalen flächendeckend für alle Jugendlichen über das an Schulen anknüpfende und ab der 7. Klasse einsetzende Programm Kein Abschluss ohne Anschluss (KAoA)Seit dem Schuljahr 2012/2013 wird die Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss – Übergang Schule-Beruf in NRW“ (KAoA) in Nordrhein-Westfalen umgesetzt und stufenförmig aufgebaut. Die Landesinitiative besteht aus vier Handlungsfeldern (HF): „Berufliche Orientierung“ 1 in allen allgemeinbildenden Schulen (HF I), Systematisierung des Übergangs von der Schule in Ausbildung, Studium und/oder Beruf (HF II), Attraktivität des dualen Systems (HF III) und kommunale Koordinierung (HF IV)“. (Mahler & Letzig, 2020, S. 3)„Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA). Nach dem Ende der allgemeinbildenden Schulzeit erfolgt bei Bedarf die weitere Berufsvorbereitung in den verschiedenen Bildungsgänge des BerufskollegsBK-A: Berufsschule (Fachklassen des dualen Systems sowie Ausbildungsvorbereitung); BK-B: Bildungsgänge, die berufliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln (z. B. im Fachbereich Agrarwissenschaft), sowie solche, die zu einem Berufsabschluss nach Landesrecht führen; BK-C: Berufsfachschule und Fachoberschule (Bildungsgänge, die FOR (Fachoberschulreife) Klasse 9 voraussetzen); BK-D: Berufliches Gymnasium bzw. Fachoberschule (Klasse 13), BK-E: Fachschule (Qua-Lis NRW, o. J.)Bildungsgängen an den Berufskollegs. In den entsprechenden Bildungsgängen ist die Zahl der Schüler*innen im Berichtszeitraum zwischen 2013 und 2018 insgesamt leicht zurückgegangen, allerdings gilt dies nicht für alle Maßnahmen gleich. Vielmehr zeigen sich Verschiebungen zwischen den einzelnen Bildungsgängen, wie später differenziert ausgeführt wird.

Der Erfolg dieser berufsvorbereitenden Maßnahmen ließe sich am ehesten an Übergangszahlen in eine Ausbildung oder weitere schulische Laufbahn ablesen (Daten hierzu liegen nicht vor). Die Entwicklungszahlen zu erfolgreich erworbenen Hauptschulabschlüssen zeigen keinen eindeutigen Trend. Insgesamt zeigt sich das berufliche Bildungssystem in der Metropole Ruhr weitestgehend konstant. Insbesondere die schulischen Berufsausbildungspfade haben sich im Berichtszeitraum stabil entwickelt, sowohl auf der Angebotsseite der Schulen als auch bezüglich des Nachfrageverhaltens der Schüler*innen. Die im Zeitverlauf sich verbesserten Bedingungen für Schulabsolvent*innen, die eine duale Berufsausbildung anstreben, konnte nicht von allen Bewerber*innen genutzt werden. Offensichtliche und leicht wachsende Probleme des Matchings zwischen jungen Menschen, die unversorgt bleiben auf der einen Seite und nicht besetzten Ausbildungsstellen auf der anderen Seite weisen auf ein zunehmendes Problem hin, welches in der Region gelöst werden muss.

Die ebenfalls nur leicht zurückgegangene Zahl derjenigen Schulabsolvent*innen, die zunächst in einem der Bildungsgänge zur Ausbildungsvorbereitung Aufnahme finden, ist ein Indiz für eine wenig dynamische Entwicklung im Berichtszeitraum sowie eine Manifestierung der Problemlagen bereits über einen mehrjährigen Zeitraum.

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