Bildungsbericht Ruhr 2020
Berufliche Bildung
4.5. Perspektiven
Insbesondere die Ergebnisse im Sektor der dualen Berufsausbildung zeigen, dass der Thematik „Berufsorientierung“ in Zukunft weiterhin und sogar verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Etwa jede vierte Ausbildung wird vorzeitig abgebrochen, ein großer Teil davon bereits in der Probezeit. Hier werden sowohl bei den Auszubildenden als auch den Ausbildungsbetrieben unnötig finanzielle und Lebenszeitressourcen eingesetzt sowie Motivation gedämpft. Gerade die frühzeitige Lösung eines Ausbildungsvertrags ist ein deutliches Indiz dafür, dass die Vorstellungen über und Erwartungen an eine Ausbildung unrealistisch waren. Mangelndes Wissen über die Inhalte und Bedingungen eines Ausbildungsberufes, die Anforderungen an Kenntnisse und Skills seitens der und Abläufe in den Unternehmen führen zu Fehlentscheidungen, die verhindert werden können. Aufgerufen sind hier zum einen die allgemeinbildenden Schulen als zentrale Akteure, die frühzeitig Kontakt zu allen jungen Menschen haben, die einen Beruf anstreben, ihre Aktivitäten im Rahmen der berufsorientierenden und verbindlichen Standardelemente der Initiative Schulabgänger*innen zu optimieren und zu verstetigen. Dazu gehören die aktive Nutzung der betrieblichen Berufsfelderkundungen in der Jahrgangsstufe 8 und der betrieblichen Praxisphasen in den Jahrgangsstufen 9 und 10 sowie in der Sekundarstufe II. „Kein Anschluss ohne Anschluss“ (KAoA)
Auf der anderen Seite müssen die ebenfalls an der Initiative KAoA beteiligten Kammern und Verbände, sowie deren Mitgliedsunternehmen Plätze für die betrieblichen Praxisphasen zur Verfügung stellen. Ein weiteres Augenmerk liegt auf den Themen Beratung und Kooperation mit außerschulischen Akteuren. Die enge Zusammenarbeit mit der Berufsberatung der Agentur für Arbeit und die Öffnung der Schulen nach außen durch z. B. Anbahnung von Betriebspartnerschaften, oder der Nutzung von Angeboten wie dem der Ausbildungsbotschafter tragen zu einer Erhöhung der Transparenz gegenseitiger Erwartungen und Vorstellungen bei und schaffen die nötigen Voraussetzungen für eine gezielte Berufswahl und die Entscheidung für einen bestimmten Ausbildungsbetrieb bzw. Auszubildenden und können somit auch präventiv Ausbildungsabbrüchen entgegenwirken.
Die konstant hohe Zahl derjenigen, die im Rahmen einer schulischen Berufsausbildung zusätzlich einen höherqualifizierenden Schulabschluss erreichen, der sie zu einem Hochschulstudium berechtigt, ist weiterhin ein Indiz für die große Relevanz der Berufskollegs in der Schullandschaft.
Zudem kann damit das Matchingproblem zwischen Bewerber*innen und offenen Ausbildungsstellen angegangen werden. Die Zahlen zeigen, dass die Anzahl der unversorgten Bewerber*innen im dargestellten Zeitraum zuletzt kleiner als die der unbesetzten Stellen war. Eine gezielte Beratung kann dazu beitragen, dass hier die Anbieter- und Nachfrageseiten besser miteinander verknüpft werden. Im Rahmen dieses Berichts können keine Aussagen über Wirkungen, Erfolge und Problemlagen in der Umsetzung dieses Programms gemacht werden, da keine Daten zur Verfügung standen. Hierzu sei auf einen unlängst veröffentlichten Bericht der G.I.B. verwiesen, der Ergebnisse zur aktuellen Entwicklung der Landesinitiative KAoA beinhaltet (Mahler & Letzig, 2020). Der oben skizzierte Trend zu höheren Schulabschlüssen derjenigen, die eine duale Berufsausbildung beginnen, verweist zudem auf ein weiter Handlungsfeld. Betriebsbefragungen zeigen immer wieder, dass die Bewerber*innen nicht über die vonseiten der Unternehmen erwarteten Qualifikationen und Soft Skills verfügen. Hier sollten die Bestrebungen verstärkt werden, allen Jugendlichen diese notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln und sie zu Schulabschlüssen über verschiedene Wege der (Nach-)Qualifizierung zu führen. Zudem stehen die Unternehmen in der Verantwortung, die Anforderungsprofile zu überarbeiten und realistisch anzupassen.
Die konstant hohe Zahl derjenigen, die im Rahmen einer schulischen Berufsausbildung zusätzlich einen höherqualifizierenden Schulabschluss erreichen, der sie zu einem Hochschulstudium berechtigt, ist weiterhin ein Indiz für die große Relevanz der in der Schullandschaft, auch in der Metropole Ruhr. Diese Entwicklung muss in den zukünftigen Diskussionen zur Bildungsplanung vor Ort explizit berücksichtigt werden und den Berufsschulen muss mit ihrem sehr breiten Spektrum an Bildungswegen adäquate Aufmerksamkeit zukommen. Berufskollegs
Der bundesweite Trend eines Rückgangs der dualen Berufsausbildung zugunsten einer hochschulischen Ausbildung zeigt sich auch in NRW und in der Metropole Ruhr. Diese Entwicklung ist durchaus kritisch zu betrachten, insbesondere im Hinblick auf einen drohenden bzw. in einigen Branchen und Berufen bereits manifesten Fachkräftemangel. Sicher sind hier als zentrale Akteure die Unternehmen selbst und ihre Verbände gefordert, entsprechend zu handeln. Allerdings kann auch eine umfassende und zielgruppenspezifische Berufsorientierung in der Schule ein wichtiges Element regionaler Bildungspolitik sein, um dieses
Problem zu lösen. Das Gleiche gilt für die schulischen Ausbildungsgänge an den Berufskollegs und in den , die für Berufe mit einer sehr hohen Nachfrage am Arbeitsmarkt ausbilden. Wie die Ausführungen im Kapitel zur Hochschulbildung (vgl. Schulen des GesundheitswesensKapitel Hochschule) zeigen, weisen allerdings auch die Student*innenzahlen nicht die möglichen und nötigen Wachstumsraten auf. Insofern gilt der Anspruch einer Qualifikationssteigerung des Nachwuchses sowohl für das akademische als auch das berufliche Segment.
Insgesamt ist das betriebliche Ausbildungsangebot der Schulabgänger*innen in der Metropole Ruhr im Vergleich zum Land NRW und auch dem gesamten Bundesgebiet relativ niedrig. Trotz einer positiven Entwicklung der Versorgungsquote zwischen gemeldeten Ausbildungsstellen und Bewerber*innen zugunsten der jungen Menschen, die ihren Übergang von der Schule in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt bewältigen müssen, zeigt sich hier noch ein großer Handlungsbedarf für die Kreise und Städte der Metropole Ruhr. Die aktuelle Krise, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, wird diese Problematik voraussichtlich deutlich verstärken. „Covid-19 wirft Schatten auf Ausbildungsjahr 2020/2021“ titelt eine Pressemitteilung der IHK NRW vom 14.05.2020. Sie verweist auf die Gesamtproblematik, aber auch auf die Möglichkeiten, die in einer stärkeren Digitalisierung des Such- und Matchingprozesses liegen, ihr zu begegnen. Die verstärkte Zunahme digitaler Elemente in der beruflichen Ausbildung ist ohnehin eine Thematik, die aufgegriffen werden muss in einer zukunftsweisenden (Aus-)Bildungspolitik. Aktuell dazu hat eine Arbeitsgruppe aus Vertreter*innen von Bund, Ländern, Arbeitgeberseite und Gewerkschaften Mindeststandards u. a. einer digitalisierten Arbeitswelt entwickelt, die zukünftig für alle Ausbildungsberufe gelten sollen (vgl. BMBF, 2020b).